In Zeiten von Untergangsstimmung kommen stets seltsam neue Götter auf, die mehr wie Teufel aussehen, das bisher Vernünftige wird sinnlos, das bisher Verrückte wird positiv, wird hoffnungsvoll, scheinbar wird jede Grenze verwischt, jede Wertung unmöglich, es kommt der Demiurg herauf, der nicht gut noch böse, nicht Gott noch Teufel ist, sondern nur Schöpfer, nur Zerstörer, nur blinde Urkraft. Dieser Augenblick scheinbaren Untergangs ist derselbe, der im Einzelnen zum erschütternden Erlebnis, zum Wunder, zur Umkehr wird. Es ist der Moment des erlebten Paradoxen, der aufblitzende Augenblick, wo getrennte Pole sich berühren, wo Grenzen Fallen, wo Normen schmelzen. Es gehen dabei unter Umständen Moralen und Ordnungen unter, der Vorgang selbst aber ist das denkbar Lebendigste, was sich vorstellen läßt.
Hermann Hesse, Betrachtungen
Es ist nichts damit getan, daß man Krieg, Technik, Geldrausch, Nationalismus etc. als minderwertig ankreidet. Man muß an Stelle der Zeitgötzen einen Glauben setzen können.
Hermann Hesse, Briefe 1964
Freiheit von Konventionen ist nicht gleichbedeutend mit innerer Freiheit. Für edlere Menschen ist das Leben in einer Welt ohne fest formulierten Glauben nicht leichter, sondern viel schwerer, weil sie sich alle Bindungen, unter die sie ihr Leben stellen sollen, eigentlich erst selbst schaffen und wählen müssen.
Hermann Hesse, Briefe 1964
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