Navigation

Widmung

Dem, was andere schon sagten, kann ich nichts Neues hinzufügen; zudem bin ich kein begabter Poet. Ich gebe nicht vor, anderen von Nutzen zu sein: Um meinen eigenen Geist zu üben, habe ich dieses Werk verfaßt.

Ahimsayama

HERZBLUT





Der im langsamen Dahingehen Denkende blieb stehen, von diesem Gedanken erfaßt, und alsbald sprang aus diesem Gedanken ein anderer hervor, ein neuer Gedanke, der lautete: "Daß ich nichts von mir weiß, daß Siddhartha mir so fremd und unbekannt geblieben ist, das kommt aus einer Ursache, einer einzigen: Ich hatte Angst vor mir, ich war auf der Flucht vor mir! Atman suchte, ich, Brahman suchte ich, ich war gewillt, mein Ich zu zerstücken und auseinander zu schälen, um in seinem unbekannten Innersten den Kern aller Schalen zu finden, den Atman, das Leben, das Göttliche, das Letzte. Ich selbst aber ging mir dabei verloren.


Von den Geheimnissen des Flusses aber sah er heute nur eines, das ergriff seine Seele. Er sah: dies Wasser lief und lief, immerzu lief es, und war doch immer da, war immer und allezeit dasselbe und doch jeden Augenblick neu! O wer dies faßte, dies verstünde! Er verstand und faßte es nicht, fühlte nur Ahnung sich regen, ferne Erinnerung, göttliche Stimmen.


"Du wirst es lernen," sprach Vasudeva, "aber nicht von mir. Das Zuhören hat mich der Fluß gelehrt, von ihm wirst auch du es lernen. Er weiß alles, der Fluß, alles kann man von ihm lernen. Sieh, auch das hast du schon vom Wasser gelernt, daß es gut ist, nach unten zu streben, zu sinken, die Tiefe zu suchen. Der reiche und vornehme Siddhartha wird ein Ruderknecht, der gelehrte Brahmane Siddhartha wird ein Fährmann: auch dies ist dir vom Fluß gesagt worden. Du wirst auch das andere von ihm lernen."


Viele habe ich übergesetzt, Tausende, und ihnen allen ist mein Fluß nichts anderes gewesen als ein Hindernis auf ihren Reisen. Sie reisten nach Geld und Geschäften, und zu Hochzeiten, und zu Wallfahrten, und der Fluß war ihnen im Wege, und der Fährmann war dazu da, sie schnell über das Hindernis hinweg zubringen. Einige unter den Tausenden aber, einige wenige, vier oder fünf, denen hat der Fluß aufgehört, ein Hindernis zu sein, sie haben seine Stimme gehört, sie haben ihm zugehört, und der Fluß ist ihnen heilig geworden, wie er es mir geworden ist.


Langsam blühte, langsam reifte in Siddhartha die Erkenntnis, das Wissen darum, was eigentlich Weisheit sei, was seines langen Suchens Ziel sei. Es war nichts als eine Bereitschaft der Seele, eine Fähigkeit, eine geheime Kunst, jeden Augenblick, mitten im Leben, den Gedanken der Einheit denken, die Einheit fühlen und einatmen zu können. Langsam blühte dies in ihm auf, strahlte ihm aus Vasudevas altem Kindergesicht wider: Harmonie, Wissen um die ewige Vollkommenheit der Welt, Lächeln, Einheit.


Ach, noch blühte die Wunde nicht, noch wehrte sein Herz sich wider das Schicksal, noch strahlte nicht Heiterkeit und Sieg aus seinem Leide.


"Hörst du," fragte wieder Vasudevas Blick.


In dieser Stunde hörte Siddhartha auf, mit dem Schicksal zu kämpfen, hörte auf zu leiden. Auf seinem Gesicht blühte die Heiterkeit des Wissens, dem kein Wille mehr entgegensteht, das die Vollendung kennt, das einverstanden ist mit dem Fluß des Geschehens, mit dem Strom des Lebens, voll Mitleid, voll Mitlust, dem Strömen hingegeben, der Einheit zugehörig.



Ein erwachender Mensch hört auf, nach dem "Bedingten" zu dürsten,
nach der "Welt der Erscheinungen",
die im beständigen Fluss und Wandel ist,
in Wahrheit nicht tragen kann,
im allumfassenden Nicht-Selbst.



"Wenn die fließende Vergänglichkeit gesehen wird,
wendet sich die Aufmerksamkeit zum Todlosen."



Die Botschaft des Buddha war stets: Prüfe selbst! Verlasse dich nicht auf andere Autoritäten. Schau allein auf dein Herz. Und sei dir selbst eine Insel.

So wie man Gold reibt, feilt und brennt, so sollt ihr auch meine Lehre prüfen.

Glaubt mir nicht, weil ich eine religiöse Autorität bin, ja glaubt überhaupt keiner religiösen Autorität. Glaubt dem Lehrer nicht blind, glaubt den Eltern nicht blind, sondern: überprüft es. Überprüft es lange und gut! Und wenn ihr es am Ende als richtig und wahr befinden könnt, dann nehmt es an - ansonsten lasst es.



_______________________________






1

Der Wunsch nach Anerkennung treibt dich in den Wahnsinn. Der Wunsch nach Anerkennung treibt dich dazu, dich so zu verhalten, wie es dir nicht entspricht. Du verlagerst deinen Bezugspunkt, also die Quelle für die Anerkennung nach außen, so dass du dich selbst in eine Hilflosigkeit manövrierst. Und so musst du kämpfen und strampeln und kämpfen und strampeln, anstatt dich darauf zu besinnen, dass nur einer dich selbst voll und ganz anerkennen kann, nämlich du selbst.

2

Wie du wieder in deine Kraft kommen kannst? Das ist spannend: Einst bist du aufgebrochen, um zu erfahren, wie es ist, nicht in deiner Kraft zu sein. Du wolltest deine Kraft ausloten, indem du nicht in deiner Kraft bist. Also gilt es auch dieses Nicht-in-deiner-Kraft-sein zu würdigen und auch deine Mitspieler zu würdigen, die dir diese Erfahrung ermöglichen. Sie erweisen dir einen großen Dienst. Sie erweisen dir einen sehr großen Dienst.

3

Wie kannst du deinen Wunsch nach Anerkennung erlösen? Es gibt keinen leichteren Weg als du selbst zu sein. Du findest die “Anerkennung”, die dir voll und ganz entspricht, wenn du sie nicht im Außen suchst. Damit erhältst du keinen Trostpreis, sondern den Hauptgewinn! Indem du kraftvoll lebst, wie es dir voll und ganz entspricht, bist du geworden, was du meintest erst durch Anerkennung anderer werden zu können. So nimmst du deine Position ein. Das setzt Energien und Gefühle frei, die in ihrer Qualität dermaßen selbstbelohnend sind, dass keine von außen kommende Anerkennung an sie heranreicht! Sie entschädigen jeden erlittenen Mangel und lassen dich segnen, was gewesen ist. So erlöst du deinen Wunsch nach Anerkennung viele, viele Male. Immer wenn er auftaucht, lautet der Auftrag an dich, hier und jetzt so handeln, wie es dir voll und ganz entspricht.

Simone Meller



_______________________________




Wann wird Friede sein . . . .


Solange Menschen im Namen des Rechts getötet werden
Solange behäbige Richter und ehrbare Geschworne
Ihre enterbten Brüder hinter Eisengitter sperren —
Wird kein Friede sein.


Solange toter Besitz Macht verleiht ohne Pflicht
Solange Freund den Freund um Eigentum verrät
Solang der heilige Eros als heuchlerisches Bankgeschäft blüht —
Wird kein Friede sein.


Solange der Kampf der Geschlechter in haßvollem Schachern tobt Solange Mann und Frau sich vor Tribunalen begeifern
Während ihre Kinder in den Schluchten der Elendstraßen kriechen — Wird kein Friede sein.


Solang Vermassung als höchster Götze thront
Und stumpfes Gehorchen als höchste Tugend,
Solang hungrige Lehrer in teuren Schulen im Nicht-Denken unterrichten Wird kein Friede sein.


Solang mit Büro-Maschinen regiert wird anstatt mit Weisheit
Solange der Mensch nichts mehr bedeutet als eine gelochte Karte Solang Uniformen erlaubt sind und Uniformierung —
Wird kein Friede sein.


Solange sich Mörder finden die freundliche Tiere schlachten
Solange es Menschen gibt die ohne Ekel
Sich von Leichenteilen unsrer stummen Freunde nähren —
Wird Krieg sein.


Solange ein Mensch es wagt, einem Menschen zu befehlen
Solange ein Denkender gezwungen werden kann
Für die Überzeugungen Anderer in den Tod zu gehen —
Wird Krieg sein.


Es wird ewig Krieg sein.

Karl Gustav Vollmoeller



_______________________________

 

Von allen wird er ein Trottel genannt

Unbeugsam im Regen
unbeugsam im Wind
unbeugsam im Schnee und in der Sommerhitze
mit einem gesunden Körper
ohne Begierden
und ohne Zorn
nur ein leises Lächeln auf den Lippen

Vier Schalen braunen Reis am Tag
isst er mit Miso und ein wenig Gemüse
beobachtet alles genau
hört gut zu und versteht
indem er von sich selbst absehend
die Dinge stets im Geist behält

Er lebt in einer kleinen, schilfgedeckten Hütte
am Rand einer Wiese hinter dem Kiefernwald
ist im Osten ein Kind krank
geht er hin, um es zu pflegen
beugt sich im Westen eine Mutter müde unter ihrer Last
geht er hin, um ihr Reisbündel zu schultern
liegt einer im Süden im Sterben
geht er hin, um ihm die Furcht zu nehmen
geraten sich zwei im Norden in die Haare
geht er hin, um dem Unsinn eine Ende zu machen

In der Trockenheit vergießt er Tränen
irrt hilflos herum, wenn ein Sommer Kälte bringt
von allen wird er ein Trottel genannt
keiner nimmt ihn ernst
und keinem fällt er zur Last

So ein Mensch
möchte ich sein! 

Miyazawa Kenji (1896-1933)
"Unbeugsam im Regen"




_______________________________




„Ich sitze, ich esse, ich meditiere.“ 



Die Sache mit dem Ich beschäftigt mich seit geraumer Zeit. Immer wieder stellt sich für mich die Frage,  was das Ich denn nun ist und was es nicht ist.
Im Buddhismus wird einerseits vom konventionellen Ich gesprochen. Andererseits vom falschen Ich. Das konventionelle Ich beruht auf den Erfahrungen jedes einzelnen Individuums. Von Moment zu Moment macht dieses Ich Erfahrungen, die auf der Grundlage von Ursache und Wirkung beruhen.


„Ich sitze, ich esse, ich meditiere.“


Weiter läßt sich nichts auffinden, was das Ich als Ich existieren ließe. Es gibt keine weiter auffindbare Existenz jenseits des konventionellen Ich, was das Ich existieren ließe. Solch ein wahrhaft existierendes auffindbares „Ich“ existiert überhaupt nicht, das ist das falsche „Ich“, das „Ich“, das es zu widerlegen gilt.

Dagegen spricht man in westlichen Ländern von einem gesunden Ego und einem ungesunden Ego. Ein gesundes Ego ist die Empfindung eines „Ichs“, die auf dem konventionellen „Ich“ beruht, während ein ungesundes Ego die Empfindung eines „Ichs“ ist, die auf dem falschen „Ich“ basiert. Ein ungesundes Ego kann entweder ein übersteigertes oder ein vermindertes Ego sein. Ein übersteigertes Ego beruht auf der Vorstellung von einem wahrhaft existierenden auffindbaren „Ich“, während ein vermindertes Ego entweder auf der Vorstellung beruht, dass selbst das konventionelle „Ich“ nicht existiert, oder auf einer sehr schwach ausgeprägten Empfindung von einem konventionellen „Ich“.  (Das Berzin-Archiv)


Die buddhistischen Lehren selbst sprechen nicht darüber, wie ein "gesundes Ich" funktioniert. Buddhistische Übungen stärken aber indirekt alle Fähigkeiten, die moderne Psychologen als "gesunde Ich-Funktionen" klassifizieren würden:



Ausdauer, Frustrationstoleranz, Humor, Flexibilität.


"Das Gewahrsein von Atmung und anderen Körperempfindungen ist wahrscheinlich die allergrundlegendste buddhistische Meditationsübung. Bevor man die Achtsamkeit erfolgreich auf Gefühle, Gedanken, Emotionen oder den Geist anwenden kann, muß sie im Gewahrsein von Atem und Körper fest verankert sein."
Mark Epstein, Gedanken ohne den Denker



"Das Ich existiert einzig auf der Ebene des Denkens. Von seinen wirklichen Gefühlen ist der Mensch total getrennt. Was Sie heute für Gefühle halten, sind Gedanken über Gefühle, es sind nicht die Gefühle selbst." Theo Fischer, Wu wei


Achtsamkeit in der Psychotherapie


Echte Gemeinschaft
"Paradoxerweise kommt eine Gruppe von Menschen erst dann ins Stadium des sich Heilens und sich Umwandelns, nachdem ihre Mitglieder gelernt haben damit aufzuhören, sich heilen und umkrempeln zu wollen. Echte Gemeinschaft ist ein sicherer Platz, weil niemand versucht, dich zu heilen, zu verändern, in Ordnung zu bringen. Du bist frei du selbst zu sein! Und weil du so frei bist, brauchst du keine Verteidigungsmechanismen mehr, keine Masken, keine Verkleidungen. Du bist frei, deine eigene psychologische und spirituelle Gesundung zu suchen, frei, dein eigenes ganzes, heiliges Selbst zu werden."
Via: DBU