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Widmung

Dem, was andere schon sagten, kann ich nichts Neues hinzufügen; zudem bin ich kein begabter Poet. Ich gebe nicht vor, anderen von Nutzen zu sein: Um meinen eigenen Geist zu üben, habe ich dieses Werk verfaßt.

Ahimsayama

Die Dinge wachsen ständig

Es gibt ein berühmtes Koan über einen Mann, der zur Spitze eines hundert Fuß hohen Mastes hinaufklettert. Wenn er dort oben bleibt, ist er nicht der Erleuchtete. Wenn er von der Spitze des Mastes herunter springt, könnte er der Erleuchtete sein. So, wie wir diese Koan verstehen, werden wir auch unsere Übung verstehen. Wir glauben, die verblendeten Leidenschaften müßten hinausgeworfen werden, weil wir auf der Spitze des Mastes sitzen bleiben. Dann haben wir ein Problem. In Wirklichkeit gibt es keine Spitze des Mastes. Der Mast geht weiter, man kann also nicht dort stehen bleiben. Aber wenn man eine gewisse Erleuchtungserfahrung hat, mag man denken, daß man sich dort ausruhen und von dort, von der Spitze des Mastes, die verschiedenen Aussichten betrachten kann.
[Doch] die Dinge wachsen ständig oder wandeln sich in etwas anderes. Nichts existiert in seiner eigenen Form oder Farbe. Wenn Du denkst: "Hier ist die Spitze", dann wird sich dir das Problem stellen, ob Du hinunter springen sollst oder nicht. Aber von hier kannst Du nicht hinunter springen. Das ist bereits ein Mißverständnis. Es ist nicht möglich. Und selbst wenn Du an der Spitze des Mastes anhalten willst, kannst Du dort nicht bleiben, weil er ständig weiter wächst. Das ist das Problem. Deshalb vergeßt alles über das Anhalten auf der Spitze des Mastes. Wenn ihr die Spitze des Mastes vergeßt, dann seid ihr, wo ihr gerade seid. Ihr seid nicht dieses oder jenes, ihr seid nicht in der Vergangenheit oder in der Zukunft, sondern genau hier. [...] [Und doch] besteht das Geheimnis darin von hier herunter zu springen und "Ja" zu sagen. Dann gibt es kein Problem. [...] Völlig auf das gesammelt zu sein, was man tut, ist Einfachheit. Und das schöne an der Übung ist, daß man sie endlos ausdehnen kann.
Man kann weder sagen, daß unser Weg ziemlich leicht, noch, daß er sehr schwierig ist. Er ist überhaupt nicht schwierig. Jedermann kann ihn üben - aber weiter zu üben ist ziemlich schwer. 

Shunryü Suzuki, "Seid wie reine Seide und scharfer Stahl"

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