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Widmung

Dem, was andere schon sagten, kann ich nichts Neues hinzufügen; zudem bin ich kein begabter Poet. Ich gebe nicht vor, anderen von Nutzen zu sein: Um meinen eigenen Geist zu üben, habe ich dieses Werk verfaßt.

Ahimsayama

Der wohlerzogene Blick - Rahmen definieren die soziale Ordnung

Durch die tägliche Praxis ändert sich der Blick auf die Welt. Manche Dinge treten in den Hintergrund, andere treten hervor. Einstellungen ändern sich. Ehemals Bedrückendes wandelt sich in ein sanftes Lächeln. Nicht immer und durchgängig. Wohl wahr. Auch ist da etwas wie ein mulmiges Gefühl. Krishnamurti hält dieses Gefühl für den Geschmack der Freiheit, so habe ich ihn jedenfalls verstanden.

Jemand schrieb vor einiger Zeit:

Ich meditiere nun knapp ein Jahr teilweise bis zu bis zu 2 mal 30 Minuten täglich. Und während ich am Anfang eine Veränderung an meiner Person kennengelernt habe wie z.B. mehr Gelassenheit oder Selbstvertrauen nehme ich jetzt eine Veränderung an meiner äußeren Welt wahr. Es ist als ob meine alte bisher bekannte Welt mehr und mehr in sich zusammenfällt (innerlicher Abschied von gedachten Freunde, Berufliche Veränderung, usw.). Das Problem ist das mir langsam Mulmig wird, was da auf mich zukommt.

Rahmen definieren die soziale Ordnung. Sie sagen uns, was geschieht, wann was zu tun und wer wie zu behandeln ist. Sie lenken unsere Aufmerksamkeit auf die Handlung innerhalb des Rahmens und lenken sie ab von dem, was zwar dem Bewußtsein zugänglich, aber unbedeutend ist.

Während meiner Reise durch Indien ist mir immer wieder aufgefallen, wie anders die Menschen dort auf Ereignisse und Personen reagieren. Offen und staunend kommen sie einem entgegen. Immer zu einem Plausch bereit. Telefonnummern und Visitenkarten werden bereitwillig ausgetauscht. Anonymität ist kaum wahrnehmbar. Es macht eher den Eindruck, als kenne jeder jeden, obwohl dort eine Geschäftigkeit herrscht, die in unseren Breiten nur mit der vorweihnachtlichen Einkaufsorgie in unseren Einkaufspassagen zu vergleichen ist. Nur dort eben allerorten und zu jeder Zeit. Auch wird man gerne beobachtet. Anfangs dachte ich, daß ich angestarrt werde. Von überall ruhten Augenpaare auf mir. Doch nach einiger Zeit stellt ich fest, daß es nicht meine Person betraf. Es hatte nichts mit mir zu tun, sondern mit der Art der Aufmerksamkeit in dieser Kultur. Im Osten ist es Konvention zu starren, wenn man sich einander nähert. Hier nicht.

Wir stecken also alle in einem bestimmten Rahmen, der unsere unbewußten und bewußten Handlungen beherrscht. Wir verfolgen Absichten. Laut Georg Simmel (Soziologe) bestimmt der Rahmen, in dem wir uns bewegen, ob man zum Beispiel hilft, oder eben nicht. Das Zusammentreffen mit anderen Personen, die vielleicht gerade der Hilfe bedürfen, verlangt, daß man bereit ist, den eigenen Rahmen verlassen zu wollen und sich auf andere einzustellen. Hierbei gibt es verschiedene Abstufungen. Liegt jemand mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden, so bestimmt z.B. die "städtische Trance" ob und in wie weit geholfen wird. Das Übermaß an Reizen, die das Stadtleben mit sich bringt, bedingt eine höhere Reizschwelle. Es ist reiner Selbstschutz vor einer Input-Überlastung. Im Gegensatz dazu kann man das auch von den Landbewohnern sagen. Ihr Schemata ist nicht für die Umwelt der Stadt geeignet. Daraus können Verwirrungen entstehen. Wir alle sind ähnlich durcheinander, wenn wir in ein fremdes Land reisen. Das betrifft eben auch dieses fremde Land der Achtsamkeit und Meditation.

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