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Widmung

Dem, was andere schon sagten, kann ich nichts Neues hinzufügen; zudem bin ich kein begabter Poet. Ich gebe nicht vor, anderen von Nutzen zu sein: Um meinen eigenen Geist zu üben, habe ich dieses Werk verfaßt.

Ahimsayama

"Klein und Wagner" Hermann Hesse


Der Familienvater und Bankbeamte Friedrich Klein flieht, nachdem er eine Summe Geldes veruntreut, Urkunden gefälscht und sich einen Revolver besorgt hat, mit dem Zug Richtung Süden. Voller Verzweifelung versucht er seine Tat zu verstehen, denkt zwanghaft nach und landet schließlich wie zufällig in einer italienischen Stadt. Hier trifft der Flüchtige bald auf die Tänzerin Teresina, an der das Pendeln zwischen seinen tiefen Wünschen und seiner bürgerlichen-moralischen Prägung besonders deutlich wird. Immer wieder befällt Klein der Gedanke an einen Schullehrer, Wagner, der in einem Amoklauf seine Familie umgebracht hatte, und mit dem er sich "irgendwie...verknüpft" fühlt. Klein hat mit dem bürgerlichen Leben abgeschlossen; seine späten Bemühungen seine Identität zu finden und nach dem eigenem innersten Selbst (im Sinne von Carl Gustav Jung) zu leben, sind aber vergebens. Immer wieder gerät er ins Zweifeln, gefolgt von Angst- und Schuldgefühlen. Schließlich gibt Klein seinem langgehegten Selbstmordwunsch nach und ertränkt sich eine Woche nach seiner Flucht im naheliegenden See. Die Erzählung endet mit Kleins letzten epiphanienhaften Augenblicken.

Als Hesse im April 1919 in die Südschweiz kam und sich schließlich in Montagnola niederließ, hatte er gerade die schwere Entscheidung getroffen, seine Frau und seine drei Söhne zu verlassen. Vorausgegangen war die sehr anstrengende Arbeit beim Aufbau einer Zentrale für Kriegsgefangenenfürsorge in Bern, die die Trennung von seiner Familie erforderte, und die Zerreißproben des Ersten Weltkrieges sowie die Schmähungen und Verunglimpfungen, in denen er als Nestbeschmutzer und vaterlandsloser Gesell bezeichnet wurde. Hesse hatte sich einer aufreibenden, eineinhalbjährigen Psychoanalyse unterzogen, als seine erste Frau Maria im Oktober 1918 in eine derart schwere Gemütskrankheit verfiel, dass ihre depressiven Rückfälle bis 1925 in drei verschiedenen Heilanstalten über längere Abschnitte stationär behandelt werden mussten. Der sie dann betreuende Psychoanalytiker Carl Gustav Jung kam zu dem Ergebnis, dass eine Trennung der Ehepartner in dem Sinne unausweichlich sei, als Maria die drei Söhne übernähme und Hesse getrennt seinen schriftstellerischen Weg verfolgen würde. Mia Hesses Verfassung erlaubte allerdings nicht, dass sie sich um die drei Söhne sorgen konnte, so dass diese bei Freunden, Pflegeeltern und in Landerziehungsheimen untergebracht werden mussten.
Hesse suchte den Irrtum und das Scheitern seiner Ehe nicht bei seiner Frau, sondern bei sich selbst. Zudem war ihm die Tragik der Trennung von seinen Söhnen bewusst. Diese Gesamtkonstellation den vier nächsten Verwandten gegenüber spiegelte Hesse in Klein und Wagner in der Weise, als in der Novelle der Beamte Klein durch den vierfachen Mord an seiner Frau und den gemeinsamen Kindern sein Gewissen auf erdrückende Weise belastet und er sich den Folgen dieser ungeheuren Tat durch Flucht unter dem Decknamen 'Wagner' zu entziehen versucht.


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