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Widmung

Dem, was andere schon sagten, kann ich nichts Neues hinzufügen; zudem bin ich kein begabter Poet. Ich gebe nicht vor, anderen von Nutzen zu sein: Um meinen eigenen Geist zu üben, habe ich dieses Werk verfaßt.

Ahimsayama

Die Zwiebel der Jugend (ihr sollt das Lachen lernen)


"Was die Menschen jeweils unter dem Begriff ‘Mensch‘ verstehen, ist stets nur eine vergängliche bürgerliche Übereinkunft.“ Hermann Hesse (1927)
“...was bleibet aber, stiften die Dichter.“ Friedrich Hölderlin (1808)

Schon lange wie es Menschen gibt, beschäftigten sich Dichter, Schriftsteller, Philosophen und andere große Denker mit der Natur des Menschen, seinen Widersprüchen, Abgründen und der sonderbaren Einheit, die er darstellt. Doch zu welchem Schluß kommen sie? In dieser Lage kann man sich durchaus mit dem Werk Hermann Hesses (1877-1962) beschäftigen. Seine Schriften enthalten feinsinnige Betrachtungen über die Menschen, “deren jeder ein kostbarer, einmaliger Versuch der Natur ist“ - wie er schreibt. Vor allem im Steppenwolf (1927) zeichnet Hesse ein Menschenbild, das vorbildhaft ist. Eine zentrale Stelle aus dem Werk:

In Hinblick auf Goethes “Faust“erklärt Hesse:

“Wenn Faust den unter den Schullehrern berühmten, vom Philister mit Schauer bewunderten Spruch sagt: ‘Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust!‘ dann vergißt er den Mephisto
und eine ganze Menge andrer Seelen, die er ebenfalls in seiner Brust hat. Auch unser Steppenwolf glaubt ja, zwei Seelen (Wolf und Mensch) in seiner Brust zu tragen und findet seine Brust dadurch schon arg beengt. Die Brust, der Leib, ist eben immer eines, der darin wohnenden Seelen aber sind nicht zwei, oder fünf, sondern unzählige; der Mensch ist eine aus hundert Schalen bestehende Zwiebel, ein aus vielen Fäden bestehendes Gewebe.“

“Sie sehnen sich danach, diese Zeit, diese Welt, diese Wirklichkeit zu verlassen und in eine andre, ihnen gemäßere Wirklichkeit einzugehen, in eine Welt ohne Zeit. [...] Sie wissen ja, wo diese andere Welt verborgen liegt, daß es die Welt Ihrer eigenen Seele ist, die Sie suchen. Nur in Ihrem eigenen Innern lebt jene andere Wirklichkeit, nach der Sie sich sehnen.” (HESSE 1987:Bd.7, S. 366)

Ich kann mich nur meinen Vorrednern anschließen, wenn sie sagen, daß "ich denke, man sollte sich selbst ersteinmal gut kennen, bevor man aufs große Meer hinaus schwimmt." Das meinte auch Hesse in seinem Buch "Der Steppenwolf". Jede Schale dieser Zwiebel eröffnet neue Eindrücke und Erfahrungen.

Harry Haller hatte in seinem Leben, bis zu seinem 50. Geburtstag und dem Zusammentreffen mit Pablo, seine eigene Vielschichtigkeit nicht erkannt. Er ist der Meinung, er bestehe nur aus zwei Eigenschaften. Der des Menschen und der des Wolfes, die sich gegenseitig zu bekämpfen scheinen. Doch Pablo zeigt ihm einen neuen Weg zu sich selbst. Im Magischen Theater.

Hesse beschäftigt sich in vielen seiner Bücher mit der fernöstlichen Lehrthese, nach der der Pfad zur Erleuchtung nicht über dieExtrema Askese oder Ausschweifung führt, sondern in der Kunst, diese beiden miteinander zu verbinden. Die innere Zerrissenheit des Steppenwolfes und sein Versuch zur Integration der beiden Seiten spiegeln das buddhistische Prinzip des Weges der Mitte wider bzw. die Erkenntnis, dass Gut und Böse einander nicht nur bedingen, sondern ein Konstrukt menschlicher Rationalität sind. Wer dies begriffen hat, der kann aus tiefem Einverständnis mit dem Universum heraus lächeln, wie es im Steppenwolf die Unsterblichen tun. Humor erscheint als eine Art der Transzendenz: Er zeigt die Lächerlichkeit unserer Wünsche und Ängste vom Standpunkt der Ewigkeit.

Hermann Hesse

Stufen

Wie jede Blüte welkt und jede Jugend.
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.

Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu begeben.

Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,

Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf` um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden...
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

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