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Widmung

Dem, was andere schon sagten, kann ich nichts Neues hinzufügen; zudem bin ich kein begabter Poet. Ich gebe nicht vor, anderen von Nutzen zu sein: Um meinen eigenen Geist zu üben, habe ich dieses Werk verfaßt.

Ahimsayama

Mein Schwein hat Grippe

Gerade auf dem Gebiet der Medizien geht es doch um Empathie und Vertrauen. Immaterielle Werte. Gehen sie verloren, so erzeugt das Angst und Unsicherheit in den Menschen. Pauschalisierung, Rückzug und Vertrauensverlust sind die Folge. Auch bei mir.

Was diese Schweinegrippe angeht, steht Empathie und Vertrauen der Marktmacht gegenüber. Weit von uns Betroffnen entfernt werden Maßnahmen ergriffen, die, wenn auch wohl anfangs in guter Absicht in Angriff genommen, nun mehr und mehr undurchschaubar werden für "Otto Normalbürger".

Ich denke, jeder kennt die Prinzipien des Marktes aus seinem direkten Leben. Wenn ich mich persönlich so umschaue, in bezug auf diese Grippe, so ist der Gedanke nicht mehr fern, der da sagt: "Nun, auch die Schweinegrippe ist eine reine Ausprägung des Marktes."
Ähnlich wie neue Gen-Reissorten in Indien, Atom, Finanzkrise s.o.

Dem allem steht man doch eher hilflos gegenüber.
Vielen ist schon länger bewußt, daß dieses System im Untergang begriffen ist. Dieses Vakuum kann nur neu gefüllt werden, indem der Einzelne die Verantwortung übernimmt, die ihm nahe ist. Die Verantwortung seinem eigenen Geist gegenüber und einhergehend damit seinen persönlichen Handlungen. Ich befürchte jedoch, daß der Ablösungsprozess von liebgewordenen Handlungen und materiellen Werten vorerst zu Verteilungskämpfen und Machtstreben führt und auch weiter führen wird.

"Macht euch die Erde Untertan!"
Ist das eine Rechtfertigung zur Plünderung von Recourcen oder auch die Aufforderung zu nachhaltigem Wirtschaften und Verantwortung, was von einigen in ihren Sonntagsreden ja gefordert wird?

In den Führungsetagen der globalisierten Konzerne sind längst jene verschwunden, die Ideale als Leitbild ihres Handelns zum Maßstab nahmen. Es geht schon lange nicht mehr darum Wissenschaft und Technik - den Fortschritt allgemein - zum Nutzen der Menscheit zu betreiben. Er ist nicht einmal mehr Selbstzweck. Er dient nur noch dazu die Angst einiger weniger zu lindern.
Wie groß muß die Angst jener sein, die Schein um Schein anhäufen? Schein um Schein. Wie zweideutig.

"An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen."
Es sind jene, die ihre Talente lieber vergraben, aus der Angst heraus, sie könnten sie am Ende des Tages verloren haben...











Nachtrag:

Gerade lese ich Auszüge eines Vortrages von Herrn Horst Eberhard Richter:

Horst-Eberhard Richter, Psychoanalytiker, Psychosomatiker und Sozialphilosoph, hielt bei der "Kindertagung" einen Vortrag zum Thema "Lernziel Verantwortung" – und über 1000 Zuhörer erhoben sich von ihren Stühlen und spendeten ihm minutenlangen Applaus in Heidelberg.



Einige Zitate:


"Verantwortung kann man nicht predigen, man muss sie vorleben."

"Denn das ist es, was unbewusst weiterlebt."

"Die Kinder tragen die unbewältigten psychischen Lasten der Eltern."

"Kinder sollten lernen, Konflikte friedlich zu lösen."

Statt Sensibilität und Miteinander beherrscht Konkurrenzdruck den Alltag vieler Kinder. "Schule ist ein großes Trainingszentrum für ein gnadenloses Wirtschaftssystem."

Der Nachwuchs glaubt nun, daß "er nur das wert ist, als was er in der Wirtschaft verwertbar ist."

"Angesichts von Wirtschaftskrise und Klimaerwärmung sei es aber völlig utopisch zu glauben, wir könnten immer so weitermachen."

"Humanität kommt nicht aus dem Computer. Anstand, Liebe und Gerechtigkeit entstehen, wenn Menschen sich von Angesicht zu Angesicht auf Augenhöhe begegnen."

Dass er "auf der letzten Strecke seines Lebens" so weit in die Zukunft vorausdenke, sei seinen beiden Urenkeln geschuldet. "Sie müssen sich auf mich verlassen können."

„Es gibt eine kreisförmige Wechselbeziehung zwischen Machen und Erkennen. Wenn man nicht macht was man als notwendig, wenn auch mit persönlichen Unannehmlichkeiten behaftet, erkannt hat, dann kann man irgendwann auch nicht mehr erkennen, was zu machen ist. Wer Anpassungszwängen taktisch nachgibt, wohl wissend, dass er ihnen mit vertretbarem Risiko widerstehen könnte und auch sollte, wird nach und nach die Unzumutbarkeit von Anpassungsforderungen gar nicht mehr wahrnehmen, d.h., die eigene Gefügigkeit auch nicht mehr als Fluchtreaktion durchschauen. Alles erscheint normal: die Verhältnisse, denen er sich ergibt, und der Verzicht auf Gegenwehr, den er eben gar nicht mehr erlebt.“
– Richter im Vorwort zu „Psychoanalyse und Politik“

Wissen und nichts tun ist wie nicht wissen.
SH der Dalai Lama

14 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Lieber Ahimsayama,

Missstände zu sehen und für sich selbst Konsequenzen daraus ziehen, also Selbstverantwortung, halte ich auch für wichtig. Und nicht jede Welle mit surfen, sondern sich eine eigene Meinung bilden.

Und was die Schweinegrippe betrifft, da habe ich es eher vermieden, mir das mediale Hin und Her anzuschauen.

Die Zitate, die du am Ende anfügst, sind interessant. Darin steht sinngemäß: Verantwortung zu lernen, für sich selbst in die Tat umzusetzen und dann weiter zu geben ist eine langwierige Sache. Es dauert ein ganzes Menschenleben. Das denke ich auch. Erst die nächsten Generationen werden umgelernt haben, wenn ich umgelernt habe. Eher nicht.

Da Politiker in meinen Augen auch sehr oft ihr Mäntelchen nach dem Wind drehen und nicht als "ganze Menschen" präsent sind und voll hinter dem stehen, was sie da vertreten, besinne ich mich lieber auf mich selbst und das, was wirklich in meinen Händen liegt ;-) (Ohne eine "Gegenkultur" erzeugen zu wollen, sondern eher organisch in dem, was dieser Lebensraum her gibt). Anders funktioniert es nicht, mit den gewünschten Veränderungen, in meinen Augen.

Liebe Grüße
Josephine

Unknown hat gesagt…

Hallo Josephine,

ich kann für mich in Anspruch nehmen, daß einige Themen mich seit 25 Jahren begleiten. Nach und nach stellt sich heraus, daß manches richtig und zielführend war. Wenn auch nicht anerkannt.

Auch wenn es langwierig ist, man mit Unterstellungen zu kämpfen hat, die Dinge verdreht wiedergegeben werden oder versucht wird, Aussagen ad absurdum zu führen, so halte ich bestimmte Themen für derart wichtig, daß nachhaltige Veränderungen dringend notwendig wären. Die Ursache dieser Sichtweise ist mir durch den Buddhismus nahe geworden. Sie liegt in unserem Geist.

Sehr oft stelle ich fest, daß nur Formalien diskutiert werden. Darüber hinaus (an dieser Stelle würde dann aus Erkenntnis Handlung erfolgen müssen) findet fluchtartiger Rückzug statt.

"Ein Übender ist also jemand der nicht gegen äußere Feinde, sondern gegen feindliche Kräfte, die in ihm selbst sind, kämpft. Dies sind Wut, Haß, Begierde und viele andere. Wir müssen die gute Seite in unserem Geist organisieren; ein Kampf mit Weisheit als Geschoß und punktförmiger Meditation als Waffe. Wir brauchen Weisheit und Meditation als Fundament von gutem ethischen Verhalten im täglichen Leben." SH

"Öffne der Veränderung deine Arme, aber verliere dabei deine Werte nicht aus den Augen." SH

„Es gibt eine kreisförmige Wechselbeziehung zwischen Machen und Erkennen. Wenn man nicht macht was man als notwendig, wenn auch mit persönlichen Unannehmlichkeiten behaftet, erkannt hat, dann kann man irgendwann auch nicht mehr erkennen, was zu machen ist. Wer Anpassungszwängen taktisch nachgibt, wohl wissend, dass er ihnen mit vertretbarem Risiko widerstehen könnte und auch sollte, wird nach und nach die Unzumutbarkeit von Anpassungsforderungen gar nicht mehr wahrnehmen, d.h., die eigene Gefügigkeit auch nicht mehr als Fluchtreaktion durchschauen. Alles erscheint normal: die Verhältnisse, denen er sich ergibt, und der Verzicht auf Gegenwehr, den er eben gar nicht mehr erlebt.“
– Richter im Vorwort zu „Psychoanalyse und Politik“

Oder Fromm: http://www.youtube.com/watch?v=Dt09hfllNc8

So wie ich es verstanden habe, ist der Mensch ein soziales Wesen.
Ist er Entfremdet oder fehlt ihm eine geeignete soziale Gruppe, bzw. Gemeinsamkeiten mit Anderen oder wird durch unterschiedlichste Mechanismen ein Gruppengefühl verhindert, so muß es zum "Unbehagen" kommen.

Fromm:http://www.youtube.com/watch?v=AAbKIvpALmg

Der Buddhismus sagt doch, daß Veränderungen jederzeit entstehen können. Schwindet nur eine Ursache des Phänomens, so ist das ganze Phänomen im Untergang begriffen. Die Phänomene sind nicht inhärent existent. Sie sind wechselhaft und unbeständig. Sie sind leer von inhärenter Existenz.

Liebe Grüße
Ahimsayama

Unknown hat gesagt…

Nachtrag:

Ist es nicht so, daß im Buddhismus (sehr vereinfacht gesprochen) davon ausgegangen wird, daß wir alle in einem Boot sitzen? Es gibt nur einen Weg die Schwierigkeiten abzuwenden, die im Raum stehen (Klimawandel, Wasserknappheit, Überbevölkerung, Energiekrise, Wirtschafts- und Finanzkrise, Systemkrise, Aufrüstung, Gesellschaftsprobleme aller Art). Nämlich die Gemeinsamkeiten aller herauszuarbeiten, über Religionen, Dogemen und Systeme hinweg und das Trennende außen vor zu lassen.

Wer bin ich, wer ist der Andere, was verbindet uns, wie erreichen wir unsere gemeinsamen Ziele?

Man kann das Gegenkultur nennen.

Ich bin ich. Der Andere ist mir egal. Nur meine Ziele sind wichtig. Dem Sieger gehört der Lorbeer.

Diese Meinung zu vertreten liegt in meinen Händen. Lösungen zu diskutieren wäre an der Zeit.

Anonym hat gesagt…

"Sehr oft stelle ich fest, daß nur Formalien diskutiert werden. Darüber hinaus (an dieser Stelle würde dann aus Erkenntnis Handlung erfolgen müssen) findet fluchtartiger Rückzug statt."

yep. Ich denke oft, dass viele Menschen nicht "geerdet" sind. Insofern eben viel gequatscht wird, über den "Überbau", aber keiner besinnt sich auf das Fundament. Vielleicht aber muss das Missverstehen stattfinden, weil die Erdung eben schon weg ist. Ich kann das innere Bild immer schlecht beschreiben, aber wenn der Bezug zum eigenen Wesen weg ist, dann versteht man auch nicht, was jemand redet, der versucht, aus der Perspektive seines eigenen Wesens heraus zu handeln. Alle geben Anpassungsforderungen taktisch nach, weil sie nicht mehr wahrnehmen, dass es ihrem Fundament, zu dem sie keinen Kontakt mehr haben, schadet.

Sich wieder zurück zu besinnen auf sich selbst, ist vielleicht im ersten Moment etwas, was als subversiv angenommen wird, aber wahrhaftig liegt darin die menschliche Natur. Kultur, die sich von Natur löst, ist ein Raumschiff, was die Erde schon lange verlassen hat und einsam um die Erde kreist.

Daher sind Veränderungen notwendig und die Ursachen dafür liegen in der Entfremdung selbst, die du beschrieben hast.

Die Besinnung auf den eigenen Geist, die eigene Natur ist etwas, was kommen MUSS. Oder die Menschheit stirbt aus. :-)

Manche wollen das nicht wissen. Und sie verstehen oft nicht, was du sagen willst, weil die Perspektive nicht kompatibel ist. Ja, das kenne ich.

An ihnen würde ich mich nicht reiben, weil du niemandem die Augen öffnen kannst, der sie nicht selbst öffnen möchte. Ist leider so.

"Alles erscheint normal". Bis es irgendwann weh tut. Und der Schmerz weckt auf. Jeden Einzelnen von innen heraus (das Unbehagen). Früher oder später. Oder auch nicht. Das mit anzusehen, ist schwer. Aber gehört wohl dazu, denke ich jedenfalls.

Am schwersten ist es, sich von einer Illusion eben erwacht, nicht in die nächste zu stürzen. Das erfordert die meiste Energie und in ihm liegt die Erhaltung des eigenen Fundaments begründet. Man muss seine Grenzen kennen und achtsam sein. Und nicht zu früh die Nase in das Gebiet derjenigen stecken, die nicht kompatibel sind. Zuerst im Inneren die Freude finden. Und aufrecht erhalten können. Sich nicht gleich wieder deprimieren lassen und die Nase blutig stoßen. Nicht einfach!

Was konkret würdest du denn gerne ändern und wie würdest du das gern tun? Mein Ansatz ist ja der, mit meinem Tun dazu beizutragen, zu zeigen, wie man sich auf sich zurück besinnen und mit ihrem Inneren arbeiten kann. Es ist der Punkt, von dem ich glaube, dass an ihm zu arbeiten für mich eine Brücke schlägt, zwischen persönlichen Anlagen und Begabungen und einen Beitrag zur Gesellschaft. Wo ist für dich der Schnittpunkt?

LG Josephine

Anonym hat gesagt…

Upps, jetzt haben sich die Kommentare überschnitten. Zu deinem Nachtrag:

Es ist keine Gegenkultur, zum Ursprung zurück zu gehen. Ich würde es nur Besinnung auf alte Werte nennen. Buddhismus ist auch Kultur. Allerdings vielleicht der Natur noch näher.

Es gibt keine von der Natur unabhängige Kultur. Das wollte uns die Aufklärung einreden. Da liegt für mich der Hase im Pfeffer: Aufklärung trennte Verstand vom Herzen, Intellekt vom Gefühl. Auf Kosten der inneren Zufriedenheit jedes Einzelnen. Sie hat aus uns Maschinen gemacht. Und damit ist der Tod der Aufklärung auch schon vorprogrammiert.

Mögen sich die Menschen auch dagegen sträuben, die Veränderung kann ich schon riechen *lach* Und ich werde sie schon mal versuchen, in aller Bescheidenheit und im Rahmen meiner Möglichkeiten vorweg zu nehmen.

Gruß, Josephine

Unknown hat gesagt…

Josepine,
ich finde wirklich, daß Du auf einem bemerkenserten Weg bist. Liegt mir schon lange auf der Zunge das zu sagen.

Ich versuche mal zu beschreiben, was mich umtreibt. In Bildern. Anders geht es nicht.

Pacifik. Ich in meinem Boot. Arg von Bohrwürmern zerfressen.Ich halte ich Ausschau nach anderen Booten oder einer Insel. Manchmal tauchen Menschen auf in meinem Boot. Meist wollen sie am Ruder sitzen oder schaukeln. Wer schaukelt fliegt raus. Nicht wirklich. Man kann doch keinen... und dann auch noch im Pacifik...
Also schön rudern. Die Schaukler davon überzeugen, daß das mit dem Schaukeln irgendwie, wenn man mal genauer darüber nachdenken würde, doch in irgeneiner Weise dann doch unter gewissen Umständen nicht so eine besonder gute Idee sein dürfte. Also, wollte ich nur mal sagen...

Dabei fällt mir brennend heiß etwas ein. Die Löcher! Also rudern und schöpfen. Und auf die Schaukler achten, Ausschau halten.

Wie wäre es mit:
Einer rudert, einer schöpft, einer steuert, einer macht Musik...

Dann eben: "Der alte Mann und das Meer"

Ich sollte wieder mal was malen.

Anonym hat gesagt…

Ach! Find ich gut! Mal wieder mal was. Ganz für dich alleine.

Und vor allem:

Nix andere, nix überzeugen, nix nix da! Wenn du erst mal dich gerettet, das Boot geflickt hast, schön bemalt, noch ein wenig Kraft getankt hast, dann kannste immer noch versuchen, den wilden Haufen aufzusammeln und zu zähmen. Wieso tauchen sie überhaupt in deinem Boot auf? Woher kommen die denn? Was wollen die denn?

Und was willst du? Willst du sie im Boot? Wenn nicht, dann schmeiß sie raus und lasse sie selbst schwimmen. Oder ist das Boot, in dem Du sitzt, nicht dein eigenes?

(Lieben Dank für die Blumen! Das ermuntert mich, wo ich mir immer vorkomme, wie eine Schnecke auf einer stark befahrenen Strasse...)

Ein ruhiges Wochenende ohne Trittbrettfahrer wünscht dir
Josephine

Unknown hat gesagt…

Es bricht mir das Herz jemanden aus meinem Boot zu werfen, vielleicht weil ich das Gefühl nur zu genau kenne über Bord zu gehen.
Harmoniesucht, Schwierigkeiten mit mit Abgrenzung, der starke Drang etwas bewegen zu müssen. Gestalten wollen. Nicht Machtausübung, was mir auch schon vorgeworfen wurde.

Schon Verrückt:
Den Linken bin ich zu rechts, den Rechten zu links; der Wirtschaft zu freidenkend, den Freidenkern zu konservativ.
Manchmal scheint bei mir der Gedanke auf, daß wenn dies so sein sollte, es ein Zeichen dafür sein müßte, daß ich auf dem mittleren Pfad unterwegs bin. Hi hi.

Und doch weiß ich, daß der Weg, wie Du ihn beschreibst, der richtige ist. Meine Energien zu meinem Nutzen bündeln. Innenschau halten. einen ruhigen Geist bewahren, abgrenzen. Immer wieder vom Mast springen. Wunden lecken.

Elfe schrieb: ~Man muß sich selbst vergeben. Sich vergeben, daß man sich vorerst die wichtigste Person sein muß?

Im Zen wird dieser Weg auch beschrieben.

Sollte ich jemandem in ähnlicher Situation einen Rat geben müssen (was ich vor einigen Tagen tat), so würde ich genau das sagen.
Irgendwann sind diese alten Denkmuster eingeebnet.

Du bist keine Schnecke. Kraftvoll, kompetent, reflektiert, Mitfühlend, aus eigener Erfahrung heraus.


Schönes Wochenende
Ahimsayama

Anonym hat gesagt…

Lieber Ahimsayama,

danke, dass du mich nicht als Schnecke siehst. Das Reflektiertsein fordert seine Zeit und so bewege ich im Außen wenig, im Innern viel. Menschen in meiner Umgebung sorgen sich manchmal auch darum, dass ich im Außen nichts vorzuweisen habe oder meine Ausbildung (die ich zum Glück im Tempo selbst bestimmen kann) scheinbar stagniert. Das setzt mich manchmal unter Druck.

Was ich damit sagen will: Wenn du selbst nicht in Ordnung bist, kannst du für andere keine adäquate Hilfe sein. Ich habe immer schon einen Faible für Tonglen gehabt, dem Geben und Nehmen mit Hilfe des Atems. Die Regel ist: Beginne zuerst mit dir. Dann, wenn du darin stabil bist, dehne die Technik auf andere aus.

Das ist der Punkt: Stabilität im Innen. Ja, es mag auf einige egoistisch wirken, jemandem aus dem Boot zu schmeißen. Ich habe es übrigens jahrelang getan, jemandem in meinem löchrigen Boot mit befördert. Es ist gerade mal gut gegangen. Aber was ich dabei gelernt habe: Ich habe viel zu viel Kraft in den anderen Menschen investieren müssen, der sich an mich geklammert hat. Und weil das Maß so unverhältnismäßig war, schürte es meine Wut. Wut ist zuerst mal ein Anzeichen für ein Unmaß oder eine Grenzüberschreitung und als solches ein wichtiges Signal. Doch wenn diese Wut vom Ego vereinnahmt wird, verwandelt sie sich in Hass und Ärger und Abneigung. Und die Gefahr war groß, bei mir, mein Mitgefühl für diese Person aufzugeben, weil ich mich oft so fühlte, als fräße sie mich auf. Ich habe es geschafft, es nicht aufzugeben, aber ich weiß seitdem, wie wichtig für die innere Gelassenheit und damit für die Selbst- und Nächstenliebe die Abgrenzung ist. Es ist der Weisheitsaspekt, der das Mitgefühl davon abhält, sich in etwas Unrechtes zu verwandeln. Diese Jahre waren die schlimmsten und lehrreichsten meines Weges. Eine Zeit der tagtäglichen Prüfung.

Außerdem: Jeder in unserer Gesellschaft ist nicht ganz gesund. Das liegt in den Werten, die wir aufschnappen. Meiner Meinung nach muss jeder zuerst sich selbst heilen. Es ist Teil des Weges. Und dafür darf sich niemand schämen. Selbst wenn es viele Jahre dauert. Meiner Meinung nach ist es auch ein Egoaspekt, der uns zu früh unter Druck setzt, für andere da zu sein, obwohl unser ganzes Sein uns signalisiert, dass wir selbst Hilfe brauchen. Das Ego ist sehr hochmütig und wenn wir die kleinste Winzigkeit kapiert haben, meint es, dass wir schon wüssten, wie anderen zu helfen wäre...

Ein Satz, der jahrelang in der Meditation auftauchte, bei mir, war: "Verleihe dir selbst Gnade". Du stehst nicht außerhalb des Mitgefühls, sondern bist inbegriffen. Ich kann von mir behaupten, dass ich mich selbst damit gequält habe, bzw. mein Ego stand mit der Peitsch hinter mir und trieb mich an, anderen helfen zu müssen, um als guter Mensch vor mir selbst durchzugehen. Wo ist es da, das Mitgefühl? Die liebende Güte? Und von Weisheit ganz zu schweigen?!

Deine Kraft wird sich entfalten, wenn du den Schritt selbst gehst, zu dem du anderen rätst. Dann ist Schluss mit dem ewigen Steinerollen. Und Frieden kehrt ein. Extreme schwinden. Auch im eigenen Kopf. Und extreme Ansichten anderer bringen dir keinen Aufruhr mehr.

Herzlichste Grüße für dich
Josephine

Unknown hat gesagt…

Hallo Josephine,

der Tod des Herrn Enke hat, so scheint es mir zumindest, die Gesellschaft darauf aufmerksam gemacht, daß etwas faul ist im Staate Dänemark. Die große Anteilnahme war für mich ein Ausdruck des Mitgefühls und auch des stillen Protestes. Vielen wird zunehmend bewußt, daß wir mit unseren Lösungen doch arg an unsere Grenzen gelangt sind, sowohl ökonomisch als auch gesellschaftlich und ökologisch. Gestaltungsspielräume engen sich zunehmend ein.
Der Wert eines Menschen wird nur noch an seiner Leistungsfähigkeit und der Marktkraft der Wertschöpfungskette gemessen, von der er glaubt, daran beteiligt zu sein. Viele fühlen sich davon überfordert. Herr Enke stand vor der Wahl, sich zu seiner Krankheit zu bekennen, mit allen negativen Begleiterscheinungen für sich, seine Familie und sein Berufsleben, oder nicht. Stigmatisierung und Ausgrenzung sind die Ursachen und Folgen.

Es fällt uns als Menschen unendlich schwer diese so genannte Globalisierung zu gestalten; in ihr sehe ich die Ursachen für das Gefühl der Ohnmacht und des Getriebenseins, daß viele umtreibt und prognostiziert wurde. Wir werden nicht ewig warten können, um neu zu gestalten. Wir werden Lösungen finden müssen.
Die Lösung liegt n.m.b.M. im Individuum. Hier liegen Handlungsspielräume. Inwieweit noch ein Umdenken möglich ist, bleibt fraglich.

Und doch glaube ich nicht, daß erst die Heilung abzuwarten ist, um dann etwas zu verändern. Es sind eher kohärente, plastische Prozesse, die über einen langen Zeitraum ablaufen.
In Selbsthilfegruppen sitzen Menschen, die die Innenansicht eines Artgenossen teilen, und gerade deshalb Hilfestellung leisten können. Daß niemand der Teilnehmer "gesund" ist, ist dabei gerade hilfreich. Wie sollte ein Mensch auch als gesund gelten, wo er Gott zwar denken kann, aber im Alltag ständig seine Begrenztheit offenbart.
"Jeder in unserer Gesellschaft ist nicht ganz gesund." Alle suchen das Glück, vermeiden das Leid.

"Gesundheit ist ein Zustand optimaler Leistungsfähigkeit eines Individuums, für die wirksame Erfüllung der Rollen und Aufgaben für die es sozialisiert (also der Einordnungsprozess in die Gesellschaft, Normen und Werte) worden ist."

Unknown hat gesagt…

Was ist, wenn die Gesellschaft, Normen und Werte, so wie sie vorherrschen, einer Überarbeitung bedürfen. Sie nicht mehr zum Homo sapiens passen; wenn wir systematisch Verstand und Gefühl voneinander getrennt haben? Kopf sagt ja, Bauch sagt nein.
Wichtiger scheint mir zu sein diesen Einordnungsprozess neu zu beginnen. Neu zu hinterfragen und umzugestalten.

Am Montag sah ich diesen Professor bei Herrn Beckmann. Angesprochen auf die Ursachen einer Depression hat er die äußeren Umstände negiert. "Früher gab es auch Kriege, Hunger und Pest", sagte er. Ja, und früher war auch überall Wald. Die Wut der Diskussionsteilnehmerin kannte ich gut und teile sie und werde sie auch weiterhin teilen. Pragmatismus in seiner Reinform. Que sera, sera. What ever will be, will be.

Wichtiger ist wohl, das Verhältnis von eigener Abgrenzung und Grenzüberschreitung durch andere in Einklang zu bringen, klar Stellung zu beziehen, um nicht in eine Opferrolle zu verfallen oder sich in sie hineindrängen zu lassen. Ängste bekämpft man durch Konfrontation mit der angstauslösenden Situation. Das ist der Eigenanteil! Doch es gibt auch einen Fremdanteil! Ihn einfach zu mißachten, halte ich zumindest für einen Manipulationsversuch.

Achtsames Handeln im Alltag und Meditation sind mir sehr hilfreich. Sie bestimmen mein Leben. Mal mehr, mal weniger gut. Von Verwirklichung oder gar Erleuchtung keine Spur. Doch das kann keine Grund sein, die eigenen Überzeugungen nicht im täglichen Leben anklingen zu lassen. Ansonsten müßte man den Eltern die Kinder entziehen.



Die erste Pflicht des Menschseins ist,
das Höchste zu verwirklichen, das uns möglich ist,
bevor wir Leichname und Geister werden.
So vergeuden wir nicht die Chance
der menschlichen Geburt.


Die zweite Pflicht als menschliche Weggefährten ist,
dass wir uns gegenseitig in höchstmöglichem Maße helfen,
dass wir aufhören, uns zu verletzen und über Nichtigkeiten zu streiten,
dass wir nach wahrer Freundschaft
aufgrund des geteilten Schicksals von
Geburt, Altern und Tod streben.


Die dritte Pflicht als Bürger dieser Welt ist,
dass wir helfen, die Leiden der Welt zu überwinden,
und dadurch diese Welt zu einem guten Platz zum Leben machen,
wahrhaft zu einer wunderbaren, schönen
und menschlichen Welt.

Ajahn Buddhadâsa

Ganz liebe Grüße
Ahimsayama

Anonym hat gesagt…

"Wichtiger ist wohl, das Verhältnis von eigener Abgrenzung und Grenzüberschreitung durch andere in Einklang zu bringen, klar Stellung zu beziehen, um nicht in eine Opferrolle zu verfallen oder sich in sie hineindrängen zu lassen. Ängste bekämpft man durch Konfrontation mit der angstauslösenden Situation. Das ist der Eigenanteil! Doch es gibt auch einen Fremdanteil! Ihn einfach zu mißachten, halte ich zumindest für einen Manipulationsversuch."

In der Abgrenzung wird der Fremdanteil ja nicht missachtet, sondern in der Abgrenzung gewinnt man Raum, indem man sich mit dem Fremdanteil auseinander setzt, ohne dass er einen manipuliert, sprich durch ständiges Miteinander kein Raum für ausreichendes Reflektieren entsteht.

In unserer Gesellschaft ist der eigene Raum schon lange dem Gemeinschaftsraum untergeordnet, wenn nicht gar gewichen. Die Folge davon ist, dass Fremdanteile unbewusst "übernommen" werden, durch die Massivität, so dass für bewusstes Bewegen des Fremdanteils im eigenen Bewusstsein keine Gelegenheit ist.

Meiner Meinung nach wird zuviel Gewicht auf das Außen und die Gruppe gelegt und Menschen können mit sich selbst nicht mehr klar kommen. Ein bewusster Umgang und eine bewusste Erfahrung mit dem eigenen Raum bildet ein Korrektiv, was ermöglicht, dass wir weniger unreflektiert Mitschwimmen, mit dem Fremdanteil, als vielmehr uns bewusst dazu positionieren.

Engagierte Auseinandersetzung, ein "Streigespräch" erachte ich als wichtig, jedoch muss es aus einer persönlichen Verankerung heraus geschehen, damit es nicht manipulativ ist. Weder für den Eigen- noch den Fremdanteil.

Es geht also um die Balance, die meiner Meinung nach in dieser Gesellschaft nicht existiert. Viel Außen, wenig Verbindung zum innen bzw. sogar wenig Stabilität im Innen. Das fördert Depression (Depression = Druck von außen). Wir haben den Druck von außen nichts entgegen zu setzen, weil wir keinen Kontakt mehr haben, zu dem, was in uns ist.

Der Weg des Individuums ist der Weg der kleinen Schritte. Von außen nach innen, um sich seiner eigenen Kraft bewusst zu werden. Dann Stabilität finden und in kleinen, vom Individuum überschaubaren Schritten nach außen bringen = sich einbringen.

Das ist ein Prozess, der von Individuum zu Individuum unterschiedlich lange dauert.

Aber es führt genau zu dem, was du sagst: "Die Lösung liegt n.m.b.M. im Individuum. Hier liegen Handlungsspielräume."

Es müssen Lösungen her, das stimmt, aber sie wachsen aus deinem eigenen Prozess heraus.

"Und doch glaube ich nicht, daß erst die Heilung abzuwarten ist, um dann etwas zu verändern. Es sind eher kohärente, plastische Prozesse, die über einen langen Zeitraum ablaufen."

Nein, die Dinge laufen gehirnplastisch ja auch parallel. Aber wenn du deine Grenzen überreizt, endest du bei Depression. Depression ist somit ein Zeichen vom Inkongruenz zwischen dem Wollen (was manchmal sowohl aus Eigen- und aus Fremdanteilen bestehen kann und bewusst manchmal nicht unterschieden wird) und den zur Verfügung stehenden persönlichen Ressourcen.

Jeder Mensch kann nur seinem Potential, seiner "Heilung" und seinen Erkenntnisprozessen entsprechend handeln. Man kann die Heilung nicht ausblenden, weil sie zugleich mit dem eigenen Maß der Unwissenheit korreliert. Sie lässt sich auch nicht hintan stellen, weil... Und ebenso wenig lässt sie sich in den absoluten Mittelpunkt stellen, weil das die absolute Isolation erfordern würde. Die ist de facto bei niemandem gegeben. Die Fremdimpulse sind allgegenwärtig und somit auch die Verarbeitung. Je bewusster die Verarbeitung, desto klarer und bewusster das daraus hervorgehende Handeln. Daher ist regelmäßige Abgrenzung wichtig. Und in unserer Gesellschaft unterbewertet.

Auch ganz liebe Grüße ;-)
Josephine

Anonym hat gesagt…

Nachtrag:

"Gesundheit ist ein Zustand optimaler Leistungsfähigkeit eines Individuums, für die wirksame Erfüllung der Rollen und Aufgaben für die es sozialisiert (also der Einordnungsprozess in die Gesellschaft, Normen und Werte) worden ist."

Das ist genau so weise, wie die jahrzehntelange Behauptung, dass das Gehirn sich nicht mehr verändere, also nicht lernfähig wäre! Jahrzehntelang bestimmte das die Sicht der Gehirnforscher. Die Psychologen sahen das immer schon anders. Erst heute finden sich die Auffassungen der Psychologen über "kritische Lebensphasen" in Übereinstimmung mit bestimmten Umstrukturierungsphasen, die im Gehirn beobachtet wurden (z.b. Pubertät).

Wer oder was bestimmt denn die Regeln und die Gesellschaft? Wird sie uns auferlegt oder ist sie nicht von Menschen wie uns gemacht worden und kann demnach auch umgestaltet werden?

Im Umkehrschluss: Wenn Robert Enke depressiv war, also nicht optimal an seine Rolle erfüllt hat, wurde er dann einfach nicht richtig sozialisoert? Oder ein nicht optimal leistungsfähiges Individuum, das Abfallprodukt der Gesellschaft, Normen und Werte. Das macht die Gesellschaft doch zur deus ex machina. Und wenn das mal nicht zu Depressionen führt.

Ich sehe das so: Ich schaffe mir die Rolle, die meiner optimalen Leistungsfähigkeit entspricht und leiste somit meinen größtmöglichen Beitrag für diese Gesellschaft. Ich bringe mich als Individuum ein und nutze somit mein Eigenpotential, was aus der wechselseitigen Auseinandersetzung mit dem Fremdeinfluss sich geformt hat. Und vermeide damit, durch die Nichtkongruenz mit vorgegebenen Rollen depressiv und zum Abfallprodukt zu werden ;-)))

Lieben Gruß
Josephine

Unknown hat gesagt…

Hallo Josephine,
ich kann gar nicht sagen, wie wohl mir Deine Worte tun.

Tonglen. Sehr spannend.
Das werde ich versuchen.

Ein schönes Wochenende
Ahimsayama