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Widmung

Dem, was andere schon sagten, kann ich nichts Neues hinzufügen; zudem bin ich kein begabter Poet. Ich gebe nicht vor, anderen von Nutzen zu sein: Um meinen eigenen Geist zu üben, habe ich dieses Werk verfaßt.

Ahimsayama

Atman suchte ich, Brahman suchte ich...

Langsamer ging der Denkende dahin und fragte sich selbst: "Was nun ist
es aber, das du aus Lehren und von Lehrern hattest lernen wollen, und
was sie, die dich viel gelehrt haben, dich doch nicht lehren konnten?"
Und er fand: "Das Ich war es, dessen Sinn und Wesen ich lernen wollte.
Das Ich war es, von dem ich loskommen, das ich überwinden wollte.
Ich konnte es aber nicht überwinden, konnte es nur täuschen, konnte
nur vor ihm fliehen, mich nur vor ihm verstecken. Wahrlich, kein Ding
in der Welt hat so viel meine Gedanken beschäftigt wie dieses mein Ich,
dies Rätsel, daß ich lebe, daß ich einer und von allen andern
getrennt und abgesondert bin, daß ich Siddhartha bin! Und über kein
Ding in der Welt weiß ich weniger als über mich, über Siddhartha!"

Der im langsamen Dahingehen Denkende blieb stehen, von diesem Gedanken
erfaßt, und alsbald sprang aus diesem Gedanken ein anderer hervor, ein
neuer Gedanke, der lautete: "Daß ich nichts von mir weiß, daß
Siddhartha mir so fremd und unbekannt geblieben ist, das kommt aus
einer Ursache, einer einzigen: Ich hatte Angst vor mir, ich war auf
der Flucht vor mir! Atman suchte ich, Brahman suchte ich, ich war
gewillt, mein Ich zu zerstücken und auseinander zu schälen, um in
seinem unbekannten Innersten den Kern aller Schalen zu finden, den
Atman, das Leben, das Göttliche, das Letzte. Ich selbst aber ging mir
dabei verloren."

Siddhartha schlug die Augen auf und sah um sich, ein Lächeln erfüllte
sein Gesicht, und ein tiefes Gefühl von Erwachen aus langen Träumen
durchströmte ihn bis in die Zehen. Und alsbald lief er wieder, lief
rasch, wie ein Mann, welcher weiß, was er zu tun hat.

"O," dachte er aufatmend mit tiefem Atemzug, "nun will ich mir den
Siddhartha nicht mehr entschlüpfen lassen! Nicht mehr will ich mein
Denken und mein Leben beginnen mit Atman und mit dem Leid der Welt.
Ich will mich nicht mehr töten und zerstücken, um hinter den Trümmern
ein Geheimnis zu finden. Nicht Yoga-Veda mehr soll mich lehren, noch
Atharva-Veda, noch die Asketen, noch irgendwelche Lehre. Bei mir
selbst will ich lernen, will ich Schüler sein, will ich mich kennen
lernen, das Geheimnis Siddhartha."

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