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Widmung

Dem, was andere schon sagten, kann ich nichts Neues hinzufügen; zudem bin ich kein begabter Poet. Ich gebe nicht vor, anderen von Nutzen zu sein: Um meinen eigenen Geist zu üben, habe ich dieses Werk verfaßt.

Ahimsayama

Die Sammlung Prinzhorn


"Sehr geehrter Herr Doktor,

Sende Ihnen hiermit 3 Blatt Zeichnungen. Ich danke bestens für das Papier. Sehen Sie den Brief an wenn Sie Zeit haben...
- Träume u. Schäume - oder Schweisstropfen habe ich als überschrift bestimmt. Sie sehen hoffentlich das Bild besser wie ich indem ich nicht über die Zeit verfüge mir es genauer zu betrachten.

Mit bestem Gruß Ernst Bernhardt -"






Anlässlich des Internationalen Tages der Menschen mit Behinderung möchte ich an dieser Stelle an zwei richtungsweisende und eindrucksvolle Internetauftritte hinweisen.

Die Sammlung Prinzhorn:

Auf der Suche nach authentischer Kunst entdeckte die 'Moderne' zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts neben der 'primitiven Kunst' und der Kinderzeichnung auch die 'Kunst der Geisteskranken'. Zur gleichen Zeit begann unter Psychiatern eine rege Sammeltätigkeit bildnerischer Werke von Patienten, wobei zumeist die Hoffnung auf diagnostische Verwertbarkeit im Vordergrund stand.

Hans Prinzhorn (1886-1933), als Kunsthistoriker und Arzt mit beiden Fachgebieten vertraut, gilt heute als Pionier einer interdisziplinären Sichtweise. Ihn interessierten kulturanthropologische Fragen, etwa nach dem Ursprung künstlerischer Gestaltung oder dem "schizophrenen Weltgefühl" in der expressionistischen Kunst seiner Zeit, und er hoffte, in den Werken der Patienten einen unverstellten, elementaren Zugang zur Kunst zu finden.

Es war ein mutiger Schritt, der -langfristig gesehen- dazu beitrug, über eine angemessene Anerkennung kreativer gestalterischer Leistungen der Patienten ihre gesellschaftliche Reintegration zu fördern.

Künstler wie Alfred Kubin, Paul Klee, Max Ernst oder Pablo Picasso liessen sich von den Patientenwerken faszinieren und inspirieren. Psychopathologisch eingeweihte Künstler (Gorsen) wurden auch nach dem zweiten Weltkrieg wurden zu wichtigen Transformatoren dieser Werke. Zusammen mit weiteren Entdeckungen von Anstalts- und Außenseiterkunst, von Dubuffet in den fünfziger Jahren zu Art Brut erklärt, geben sie bis heute wichtige ästhetische Impulse.

Ein kleinerer, aber bedeutender Teil der Sammlung fesselt durch Verwendung eigenwilliger künstlerischer Mittel und ungewöhnliche, aber schlüssige formale Lösungen, die einen eigenen Sinn bergen. Sie gehören in den engeren Bereich der Kunst. Im ästhetischen Raum transportieren sie ein Wissen um extreme menschliche Empfindungen und Erfahrungen häufig vorsprachlicher Natur, wie sie in der Psychose durchlebt werden, und deren Verarbeitung, den Wahn mit seinem spezifischen Sinnhorizont. Die daraus resultierende, andere Weltsicht erscheint hermetisch, wobei uns die Relativität unseres eigenen, von der Gesellschaft vorgegebenen und getragenen Denkens meist nicht bewußt ist. So wird eine allgemein menschliche Dimension erfahrbar, die in uns allen potentiell vorhanden ist.


Genie und Wahnsinn:

"Ich möchte an dieser Stelle dem Wunsche Ausdruck geben, dass mein Atom und meine sonstigen Erfindungen nur friedlichen Zwecken und dem glücklichen Aufbau der Welt dienen mögen!" So das Vermächtnis von Karl-Hans Janke (1909-1988), der wegen "zwanghaften Erfindens" 40 Jahre lang in die Psychiatrie Schloss Hubertusburg gesperrt wurde.





Zwölf Jahre nach dem Tod Jankes macht man auf dem Dachboden des Schlosses Hubertusburg eine einmalige Entdeckung: Zeichnungen, Skizzen und wissenschaftliche Aufsätze - sorgsam gefaltet und in Obstkisten sortiert, über 2.500 teilweise großformatige Blätter: der Nachlass von Karl-Hans Janke. Was da zum Vorschein kommt, verblüfft Fachleute und Laien gleichermaßen. Eine Fülle von Erfindungen, Visionen und kühnen Konstruktionen - akkurat mit Bleistift, Tusche oder Kuli auf Einpackpapier, Zeitungsränder und Karton gezeichnet.

Anlässlich des Internationalen Tages der Menschen mit Behinderung sendet der MITTELDEUTSCHE RUNDFUNK die Dokumentation von Michael Erler. Der Autor begab sich auf Spurensuche und dokumentiert in "Genie und Wahnsinn" nicht nur den Fall Janke, sondern regt auch zum Nachdenken an - zum Nachdenken über Toleranz und Menschlichkeit, über das Anderssein und gesellschaftliche Normvorstellungen.

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