Navigation

Widmung

Dem, was andere schon sagten, kann ich nichts Neues hinzufügen; zudem bin ich kein begabter Poet. Ich gebe nicht vor, anderen von Nutzen zu sein: Um meinen eigenen Geist zu üben, habe ich dieses Werk verfaßt.

Ahimsayama

Wer so leben will, muß Ängste überwinden



Die Finanzkrise ist fast schon aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden. Die EU hat ein Verbot von Klonfleisch vom Tisch gefegt, ohne daß die Öffentlichkeit groß Anteil daran genommen hätte. Im Norden des afrikanischen Kontinents drängen vor allem junge Menschen auf Freiheit. Es jährt sich der Tag der Tschernobyl Katastrophe. Die Zukunft Fukushimas, ja des ganzen Landes, ist weiterhin offen und wird es auch wohl für eine längere Zeit bleiben. In Deutschland wird versucht, neue Wege in Richtung nachhaltige Energieversorgung zu gehen. 
So könnte man die Liste weiter fortsetzen. Was bleibt, ist die Erkenntnis, daß das System, in dem wir leben, ungerecht, zynisch und kalt ist. Mehr noch. Es setzt die Zukunft kommender Generationen aufs Spiel. Veränderungen bleiben marginal. Wenn die weltweite Entwicklung in dieser Form weiter so voran schreitet, wird es zu Verteilungskämpfen in jeglicher Form kommen. 
Das alles macht Angst. Es ist die Angst vor Veränderung. Die Angst vor Verlust. Die Angst vor der Zukunft. Einerseits bleibt die Möglichkeit der Abschottung nach außen, andererseits die Entwicklung von Abwehrmechanismen, um der Angst zu entkommen - sieht man sich doch nicht in der Lage, den Gegebenheiten etwas entgegensetzen zu können. 
Aber machen Abschottung und Abwehr langfristig wirklich einen Sinn? Das System wird diese Versuche teilnahmslos integrieren, ignorieren oder verdauen, weil keine grundlegenden Veränderungen im Denken dahinter stehen. Es ist und bleibt ein Denken im System. 
Doch an den Wurzeln der Gesellschaften treiben neue Sprosse aus längst gelegten Samen empor. Vor 2000 Jahren waren es die Katakomben Roms, wo sich die urchristlichen Gemeinden trafen, heute entstehen in den Slums des amerikanischen Kontinents Basisgemeinden. Sie wollen aus Spiritualität und mystischen Erfahrungen heraus neue Politik machen. In China fordern Meditationsgruppen auf der Grundlage der Achtsamkeit mehr Gerechtigkeit und werden dafür verfolgt. Es ist ein neuer Ansatz des Religiösen, der das innere Erleben hinaus in die Welt bringen will. Da ist das Private politisch und das Politische spirituell. 
In vielen Traditionen dieser Welt findet sich der Gedanke der Verbundenheit und der Abhängigkeit des Menschen mit der ihm umgebenden Wirklichkeit. Die Welt wird zur Bühne unserer inneren Wandlung. Die Welt selbst ist heilig und kann unsere Lehrerin sein: 
Zwei Mönche sitzen und trinken Tee. Nach einer Weile deutet ein Mönch in die Ferne und sagt: "Es gibt Menschen, die nennen das einen Baum." Daraufhin fangen beide an schallend zu lachen.
Der Zen-Meister Thich Nhat Hanh begann einen Vortrag, in dem er ein weißes Blatt Papier aufhob und sagte: "Das ist eine Wolke."
Vor einiger Zeit folgte ich einem Gespräch, in dem es darum ging, ob der Klügere nachgeben sollte oder ob die Dummen dann die Klügeren regieren. Diese Sicht läuft auf Abgrenzung oder Resignation hinaus, es ist Verstrickung im Dualismus. Der spirituelle Pfad jedoch ist der Weg des Verstehens, der Selbsterkenntnis und der Liebe, auf der Grundlage eben jener Verbundenheit und mit dem Wissen darum, daß alle Wesen nach Glück und Zufriedenheit streben. Mag es auch noch so schwer sein, dieses Denken durch den Tag zu tragen. Resignation und Abgrenzung verstärken nur die Ängste des Menschen und führen zu Haß und Gewalt. Wenn ich hasse, dann sehe ich das Heilige nicht mehr, mir geht jede Verbundenheit verloren und neue Ängste entstehen.


„Auge um Auge macht die ganze Welt blind.“ Gandhi 


The Earth is my Body
Spiritualität ist der Versuch der Überwindung des Dualismus, der die Welt in Himmel und Erde, Mensch und Natur, Innen und Außen trennt. Einheit, Verbundenheit, Nondualität, daß ist ein Ziel alter mystischer Traditionen. Und es ist ein neuer Ansatz bei der Suche nach einer Lösung für die bedrohte Schöpfung und einem nachhaltigen Wirtschaftssystem, daß die Ressourcen schont und für Verteilungsgerechtigkeit sorgen könnte. Wir sind die Erde, die denkt, die fühlt, die betet. Die Erde, die spricht. 
Wir können heute erkennen, daß der Mensch die gesamte Welt in sich trägt. Es hat 15 Milliarden Jahre gedauert, bis zu dem Punkt, wo wir uns heute befinden. Von der unbelebten Materie hin zur Belebten, vom Unbewußten hin zum Bewußten. Unser Blut ist in der Zusammensetzung dem der Ozeane gleich. Embryone entwickeln Schwimmflossen. Kein Individuum läßt sich erklären, ohne die Erklärung des gesamten Kosmos und seiner Entwicklung und Zusammenhänge. 
Religion und Spiritualität sind eben nicht „Opium fürs Volk“, sondern sie stellen eine Möglichkeit dar, die Sicht auf das Selbst und das von uns geschaffene System zu transformieren. Es quasi von außen betrachten zu können. Diese Transformation des Selbst unterstützt die Menschen darin, aus dem Grund ihrer Seele Veränderungen im Außen anzustreben. 

Ibrahim Abouleish drückt es folgendermaßen aus: „Die Verbindung von zivil-gesellschaftlichen Reformen, Politik und Spiritualität ist für mich selbstverständlich, denn wenn man das Rechte tut, dann wird man auch von den Gerechten unterstützt und getragen.“ 

„Allah verändert nichts an einem Menschen, solange er nicht verändert, was er an sich hat.“ 
Sure 13, 11 

Doch wer so leben will, muß Ängste überwinden
„Die Probleme der Globalisierung sind spiritueller Natur. Wir müssen einen inneren Kompass entwickeln und die Werte der gesamten Zivilisation überdenken, ansonsten werden wir das nicht überleben.“ So Nicanor Perlas

Wie soll dieser Gegenentwurf aussehen? Soll weiterhin auf Wachstum und Profit gesetzt werden? Ist eine geerdete Spiritualität eine Lösungsmöglichkeit?

„Liebe zum Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.“ Albert Schweitzer 

Die friedlichen Aktivisten sehen das Leben als Grundlage allen Denkens. Die Welt ist nicht da draußen, wir sind das Leben.

Keine Kommentare: