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Widmung

Dem, was andere schon sagten, kann ich nichts Neues hinzufügen; zudem bin ich kein begabter Poet. Ich gebe nicht vor, anderen von Nutzen zu sein: Um meinen eigenen Geist zu üben, habe ich dieses Werk verfaßt.

Ahimsayama

Woher - Warum - Wohin


Man kennt sie sicher und hat sie sich auch schon gestellt - die Grundfragen des Lebens.

Woher, warum, wohin? 

Eben dann, wenn man sich in einer Lebenskrise befindet, tauchen diese Fragen auf. Sie können bohrend werden. Doch warum sich damit beschäftigen? Kann man diese Fragen auch nur annähernd beantworten? Wer sollte sie uns beantworten?
Für manche werden sie jedoch zum Mittelpunkt des Seins und gerade in der Krise liegt dann die Chance für einen Neubeginn, weil die Krise der Beginn einer Suche sein könnte, einer Suche nach Antworten auf Fragen, die auf den ersten Blick unbeantwortbar erscheinen, ja, vielleicht sogar sinnlos.    

Ich kann mich erinnern, daß es mal hieß: Herzinfarkt ist eine Managerkrankheit. Diese Erkrankung war damals weit weg. Heute ist sie in der Mitte der Gesellschaft angekommen und andere neue sind dazu gekommen.

Burnout, ADHS, Depression. 

Einseitiger Materialismus, Globalisierung, Konkurrenzkampf, Orientierungslosigkeit, Werteverlust und die daraus resultierenden Ängste scheinen die psychischen Erkrankungen zu vermehren. Übertechnisierung, Hyperkomplexität, und die sonstigen selbstgemachten Weltprobleme tragen ihr Übriges zur  Verunsicherung im Individuum aber auch in der Gesellschaft als Ganzes bei. Fortschreitende Egozentriertheit und gesellschaftliche Segmentierung kommen als Faktoren hinzu. Mir scheint, dies alles bedingt sich gegenseitig in einer ungesunden Spirale der Rückkopplung. 

Man kann sich die Frage stellen, ob die Welt, in der wir heute leben, von uns so entwickelt worden ist, daß sie die Leistungsbereitschaft, das Wohlbefinden und das Vertrauen des Menschen fördert. Wohl nicht. Es ist eher so, daß wir völlig entkoppelt von dem leben, was uns und die uns umgebende Natur ausmacht, die alles ohne Ausnahme bereitstellt. Es ist uns das Gefühl für die eigene Lebensgrundlage abhanden gekommen. Wir haben uns selbst von dem getrennt, aus dem wir entstanden sind, von dem, was uns als Mensch ausmacht.

Es macht den Eindruck, daß wir gleichzeitig auf der Flucht und auf der Jagt sind. Wir sind auf der Flucht vor uns selbst und auf der Jagt nach Glück und materiellem Wohlstand. Nur gehen diese Dinge so nicht zusammen.

Der seelisch gesunde Mensch ist der produktive und nicht (der von sich selbst und der Natur) entfremdete Mensch, der liebend zur Welt in Beziehung tritt und seine Vernunft dazu benutzt, die Realität objektiv zu erfassen; es ist der Mensch, der sich selbst als eine einzigartige individuelle Größe erlebt und sich gleichzeitig mit seinen Mitmenschen eins fühlt, der sich keiner irrationalen Autorität unterwirft und freiwillig die rationale Autorität seines Gewissens und seiner Vernunft anerkennt, der sich sein ganzes Leben lang im Prozeß des Geborenwerdens befindet und der das Geschenk seines Lebens als die kostbarste Chance ansieht, die er besitzt.
Erich Fromm, Wege aus einer kranken Gesellschaft

Einer Zeit der Leistung und Produktivität muß sich eine Zeit der Ruhe, Entspannung und Gemeinschaft anschließen. Doch warum folgen wir dieser Einsicht nicht? Haben wir Angst, ist es einfach nur verloren gegangenes Wissen oder hat man uns versucht einzureden: das darf man nicht?
Schon vor mehr als 2500 Jahren wurden diese Fragen gestellt und die Menschen machten sich auf die Suche nach einer Antwort.

In der östlichen Meditationsliteratur, wird oft ein Bild benutzt, um den Geist zu veranschaulichen. Er ist wie eine Horde von Affen, die im Baum wild herumklettern - die Gedanken sind rastlos und ruhelos und ständig in Bewegung. Manchmal kommt noch hinzu, daß die Affen "betrunken" sind und dann werden sie noch von einem Skorpion gestochen, der alle möglichen Aggressionen in ihnen weckt. Meditation ist das Zähmen dieser unsteten Natur des Geistes. Und warum dieser Affengeist? Dieser Affengeist bildet sich auf der Grundlage der falschen Vorstellung von unserem Ich, denn wir halten unser Ich für fest und beständig. 

"Das bin ich, das ist mein!"

Ja, so sehen wir uns und die Welt gerne. Doch diese beiden Sichten sind nachweislich falsch. Ein Ich in dieser Form existiert gar nicht. Und mein? Was ist das? Was ist mein? Alles ist einem ständigen Werden und Vergehen unterworfen. Sowohl auf der Gedanklichen als auch auf der materiellen Ebene. Es gibt nichts Festes, an dem man sich festhalten könnte. Das ist das uns umgebende System des Dualismus. 
Man kann das als Bedrohung empfinden. Ja, und wieder ist es das Selbst und seine Konzepte und Muster die vielleicht gerade in diesem Moment den Aufstand proben. Der Affengeist. Aus dieser falschen Sicht resultieren viele Probleme des Individuums bis hin in unsere gesamte Gesellschaft. 

Wir sind ja aktive Lebewesen, das heißt, wir haben Ziele, wir haben Bedürfniszustände, wir müssen uns bewegen durch die Welt. ... Das Ich oder ... die übergeordnete Instanz, die unser Leben organisiert ... dieses Ich ist dabei, ständig Informationen zu verarbeiten, um Ziele zu erreichen. Und so lange Sie sich in diesem Muster bewegen, in diesem Hamsterrad, kommen Sie gar nicht drauf, sich zu überlegen, wie das Ich sich zusammensetzt ...dass es ... nicht nur ein Ich gibt, das so als isolierte Funktion im Gehirn existiert, sondern das sind viele verschiedene Ich-Identitäten, die ineinandergreifen: Ein soziales Ich, ein sprachliches Ich, ein Ich, das sich aufgrund meines autobiographischen Gedächtnisses bildet, wo ich mich mit identifiziere und auch eben dieser Körper. Nur ist es so, wenn wir uns diesen Prozess genauer anschauen am Ende nur noch Prozesse haben. ... Wenn Sie jetzt in der Meditation, diesen ständigen geschäftigen Geist anhalten, der jetzt keine Aufgabe hat, ... wenn wir diese Aufgabenliste, die wir intern haben, mit unseren .... Pflichten, die wir abarbeiten - jeden Tag, wenn wir die einmal zurückstellen und wirklich auf unsere nackte Existenz, so wie sie in jedem Moment ist und sich entwickelt, schauen, dann sehen wir, wir brauchen eigentlich dieses Konzept von diesem Ich gar nicht. Am Anfang denken wir vielleicht noch, jetzt sitze ich hier und ich meditiere, nur mit der Zeit, wenn Sie diesen Prozess einfach nur wahrnehmen wie er ist, dann braucht es kein Ich zu sein, was sich definiert, was es jetzt tut. ... mit der Zeit merken Sie, dass Meditation ... aus ihnen heraus von selbst geschieht, also ein bestimmter Zustand sich herstellt, wo nicht mehr dieses planende, denkende, handelnde Ich im Mittelpunkt ist, sondern mehr so ein Gefühl von Sein, sich selbst Sein, in den Vordergrund rückt.

Die Neurowissenschaften, aber auch die Praxis der Meditation stellen das Konzept von Bewusstsein, wie es in der abendländischen Philosophie entwickelt wurde in Frage. Vor allem die Rolle des Ichs wird nach heutigen Erkenntnissen überbewertet. Für das Ich als Instanz, die unabhängig und autonom das geistige Geschehen lenkt und steuert, konnte die Neurowissenschaft im Gehirn keine Belege finden. In der fernöstlichen Philosophie besteht dieser Widerspruch nicht.
Michael von Brück, Professor für Religionswissenschaft an der „Ludwig-Maximillians-Universität“ München.

Der buddhistische Bewusstseinsbegriff ist deshalb ... für die Neurowissenschaften interessant ... oder bietet ... eine Folie, auf der moderne neurowissenschaftliche Beobachtungen interpretiert werden können, deshalb, weil es kein Bewusstsein als irgendein Sein gibt, sondern es gibt Prozesse, die ineinander übergehen, ein Bewusstseinsprozess ist das Resultat eines vorhergehenden, und dieser ist wiederum für einen nachfolgenden Bewusstseinsprozess, es gibt nicht eine Instanz oder eine Substanz oder etwas Feststehendes, sondern diesen Fluss von Prozessen. Nun ist es aber ... so, dass diese Prozesse nicht zufällig sind, sondern sie laufen so ab, dass das vorhergehende Bewusstseinsmoment ... das nachfolgende prägt, dies wiederum das nachfolgende, so dass wir eine Art Evolution von bewussten Zuständen haben, die aufeinander aufbauen ... Die Gesetze, Strukturen, nach denen dieses Aufeinanderaufbauen geschieht, das nennt man in der gesamten indischen Philosophie ... Karma. Das heißt, jeder Zustand hat ... mehrere Ursachen, die in diese Dinge hineinspielen und das nächste erzeugen. Michael von Brück

In der Form, dass sie sagen, es verschwimmen die Grenzen ... da ist nicht mehr das Ich, das hier abgegrenzt ist und die Welt draußen wahrnimmt, sondern auf einmal kommt ein Gefühl ... das alles eins ist, kommt als Wahrnehmung ... als Wahrnehmungsqualität erlebe ich das und es tut sie vollkommen erschüttern in den Grundfesten ihrer Weltsicht ... ein plötzlicher Übergang von einem normalen Bewusstseinszustand ... zu einer umfassenden Seinserfahrung, wo ich das Gefühl hatte, ich habe wirklich den Grund des Daseins hinter allem auf einmal erkennen können. Ulrich Ott, Meditationsforscher

Im buddhistischen Verständnis hilft Meditation, sich vom Leiden in dieser Welt zu befreien. Mit Leiden sind Vorstellungen, Konzepte oder Theorien gemeint, mit denen wir uns identifizieren und über die wir unser Selbst definieren. Nach buddhistischer Auffassung jagen wir jedoch damit nur Phantomen und Illusionen hinterher, da der Mensch im Grunde kein Selbst besitzt. Michael von Brück:

Ich empfinde dies ... als ein Freiwerden, ein Prozess der Freiheit. Das heißt, ich trete ... mir nicht nur denkerisch, denkend, selbstreflexiv gegenüber, das ist ja das Projekt der europäischen Philosophie, um dadurch als Person Freiheit zu gewinnen, Freiheit von den eigenen Trieben, aber auch von Umweltmustern, das tue ich nicht nur denkerisch, sondern das Bewusstsein selbst durchschaut seine eigenen Muster, nach denen es sich selbst konstruiert.

Hinsetzen, Klappe halten

Der Unterschied zwischen der Meditation und der Situation in der Analyse ist ... also man könnte sagen, die Meditation besteht im Wesentlichen ... in einem Akt des Zulassens und Loslassens ... der Meditierende bemüht sich, möglichst offen zu sein, nicht reaktiv und nicht wertend gegenüber allem, was ... aufkommt. ... In der Psychoanalyse ... da gibt es irgendwann ein Akt des Auswählens ... wo sich dann eine bestimmte assoziative Kette oder ein Inhalt oder ein Thema fokussieren lässt.

Die Zen-Praxis ist ... eine Kultur der Präsenz ... Man entwickelt ein Stück Präsenz ... Dass man gegenwärtiger ist ... Das Kennzeichen der Neurose ist ... das der Einengung, dass man nur noch einen röhrenförmigen Blick hat ... dass man alles nur noch aus einer Perspektive sieht: Du hast mir das angetan oder du behandelst mich immer so und der eigene Anteil daran völlig heraus geixt ist und die Übung der Präsenz bedeutet ... diesen röhrenförmigen Blick zu erweitern ... dass man auch seine eigene Beteiligung sehen kann.
Zitierte Quellen: DRadio Kultur
Meditation und Bewusstsein
Spirituelle Praktiken unter der Lupe der
Neurowissenschaften

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