Wir leben in einer Welt der bedingt entstandenen Phänomene. Sie sind wechselhaft und unbeständig. Sie werden bedingt durch Ursache und Wirkung (im Gegensatz zum Nirvana, es ist unbedingt). Treten alle Ursachen ein, so tritt auch die Wirkung ein. Dieser Gedanke wird auch auf das Phänomen des Ich angewendet. Es gibt somit kein verharrendes Individuum, kein Selbst, kein Atman. Dennoch, Atman wird nicht wahrgenommen, ist nicht faßbar. Der Mensch ist eine Kombination der fünf Aneignungsgruppen (Skandhas), die dem Gesetz des Vergehens unterliegen. Es gibt nur eine sich fortsetzende Kette von Dharmaelementen. Es gibt überhaupt keine Realität, da alle Dharmas der Wechselhaftigkeit und Unbeständigkeit unterworfen sind.
Nun ist es wohl so, daß der Mensch im täglichen Leben sein Ich dennoch ganz anders erlebt. Das ist mein, das bin ich. Dieser Gedanke führt zum Ergreifen eines nicht in dieser Form vorhandenen Phänomens, somit zum Leiden.
In der Psychoanalyse (Fromm) wird von Entfremdung gesprochen. Durch Veranlagung, Gesellschaft und Erziehung bildet sich im Laufe des Lebens ein Filter, der die Bedürfnisse, die im Unterbwußtsein schlummern, nicht oder nur teilweise ins Bewußtsein sickern lassen. Aus Angst vor dem Anderssein, was die Entfremdung noch verstärken würde (wenn man keine integrierte Persönlichkeit besitzt), und der Angst vor Ausgrenzung, ist man gehemmt diesen Filter zu "bearbeiten". Außerdem besteht eine Angst vor dem "was man ahnt, aber nicht sehen will/ darf" in diesem Unbewußten. Dennoch sind wohl Verhaltensmuster verschleiert erkennbar. Doch Projektionen und Übertragungen verhindern den Klarblick.
Aus Wiki E. Fromm: "Durch den Drang nach Konformität und die entfremdete Arbeitsweise entsteht im Menschen ein „Loch im Selbst“. Dieses wird ferner verstärkt durch den etablierten Gesellschafts-Charakter, der in der heutigen Gesellschaft ein Leben nach außen hin als gesunde Lebensweise vorgibt und auf die Möglichkeit verweist, innere Gefühle der Leere oder Unsicherheit durch die Vielzahl kultureller Opiate zu überdecken. Das Ergebnis dieser Lebensweise ist eine narzisstische Selbstspiegelung des Einzelnen. Durch das ständige Ablenken vom eigenen Innern ist man sich seiner inneren Kräfte nicht mehr bewusst und erfährt sich somit nicht mehr als Initiator seines Handelns. Das Handeln an sich, das von äußeren Kräften gelenkt wird, hat stattdessen die Überhand über das Selbst genommen. Auf diese Weise ist es unmöglich, ein pseudogesundes Selbstbewusstsein aufzubauen, in der der Einzelne sein Selbstwertgefühl aus seiner sozio-ökonomischen Rolle entnimmt."
Hier zeigen sich sehr starke Parallelen zum Zen- Buddhismus auf. Durch Zasen wird versucht rationale Bewertungen beiseite zu legen und dem Unbewußten Raum zu geben. Einfaches Sitzen und die irrationalen und paradoxen Koans des Zen führen in eine intellektuelle Sackgasse des Schülers. Zum Satori. Es wird ein Raum geöffnet, um im Einklang mit seinem wahren Ich zu sein.
"Das Bewußtsein ist eine Nußschale auf dem Ozean des Unbewußten. Wenn ich esse, dann esse ich, wenn ich schlafe, dann schlafe ich, wenn ich arbeite, dann arbeite ich."
T. Suzuki sagt dazu: "Die Maschine drängt uns dazu, die Arbeit zu beenden und das Ziel zu erreichen, für das sie geschaffen wurde. Die Arbeit an sich ist (im westlichen Sinn) wertlos, außer als Mittel zum Zweck. Das heißt, das Leben verliert seine schöpferische Kraft und wird zu einem Instrument, und der Mensch ist nunmehr ein Mechanismus, der Güter produziert." (Zen- Buddhismus und Psychoanalyse, Fromm, Suzuki)
"Ein Bauer grub einen Brunnen, um sein Land zu bewässern. Das Wasser trug er in einem Eimer mühsam den Brunnen herauf. Als das ein Vorübergehender sah, fragte er den Bauern, warum er dazu nicht einen Ziehbrunnen verwende; er spare Arbeit und leiste mehr als die primitive Methode. Der Bauer sagte: "Ich weiß, daß er Arbeit spart, und gerade das ist der Grund, warum ich ihn nicht verwende. Ich fürchte, daß man dem Maschinendenken verfällt, wenn man eine solche Einrichtung verwendet, und das führt zu einem Maschinenherzen, Indolenz und Faulheit." (Vor über 2000 Jahren in China von Tschuangtse aufgeschrieben)
Auch in der Psychoanalyse wird versucht einen neuen Zugang zum Unbewußten zu schaffen, um der eigenen Entfremdung entgegen zu wirken.
Aus Wiki: Platon beschreibt einige Menschen, die in einer unterirdischen Höhle von Kindheit an so festgebunden sind, dass sie weder ihre Köpfe noch ihre Körper bewegen und deshalb immer nur auf die ihnen gegenüber liegende Höhlenwand blicken können. Licht haben sie von einem Feuer, das hinter ihnen brennt. Zwischen dem Feuer und ihren Rücken werden Bilder und Gegenstände vorbeigetragen, die Schatten an die Wand werfen. Die „Gefangenen“ können nur diese Schatten der Gegenstände sowie ihre eigenen Schatten wahrnehmen. Wenn die Träger der Gegenstände sprechen, hallt es von der Wand so zurück, als ob die Schatten selber sprächen. Da sich die Welt der Gefangenen ausschließlich um diese Schatten dreht, deuten und benennen sie diese, als handelte es sich bei ihnen um die wahre Welt.
Platon (bzw. Sokrates) fragt nun, was passieren würde, wenn man einen Gefangenen befreien und ihn dann zwingen würde, sich umzudrehen. Zunächst würden seine Augen wohl schmerzlich vom Feuer geblendet werden, und die Figuren würden zunächst weniger real erscheinen als zuvor die Schatten an der Wand. Der Gefangene würde wieder zurück an seinen angestammten Platz wollen, an dem er deutlicher sehen kann.
Weiter fragt Platon, was geschehen würde, wenn man den Befreiten nun mit Gewalt, die man jetzt wohl anwenden müsste, an das Sonnenlicht brächte. Er würde auch hier zuerst von der Sonne geblendet werden und könnte im ersten Moment nichts erkennen. Während sich seine Augen aber langsam an das Sonnenlicht gewöhnten, würden zuerst dunkle Formen wie Schatten und nach und nach auch hellere Objekte bis hin zur Sonne selbst erkennbar werden. Der Mensch würde letztendlich auch erkennen, dass Schatten durch die Sonne geworfen werden.
Erleuchtet würde er zu den anderen zurückkehren wollen, um über seine Erkenntnisse zu berichten. Da sich seine Augen nun umgekehrt erst wieder an die Dunkelheit gewöhnen müssten, könnte er (zumindest anfangs) die Schattenbilder nicht erkennen und gemeinsam mit den anderen deuten. Aber nachdem er die Wahrheit erkannt habe, würde er das auch nicht mehr wollen. Seine Mitgefangenen würden ihn als Geblendeten wahrnehmen und ihm keinen Glauben schenken: Man würde ihn auslachen und „von ihm sagen, er sei mit verdorbenen Augen von oben zurückgekommen“. Damit ihnen nicht dasselbe Schicksal zukäme, würden sie von nun an jeden umbringen, der sie „lösen und hinaufbringen“ wollte.
- Zen-Buddhismus und Psychoanalyse (Erich Fromm Daisetz Teitaro Suzuki, Richard de Martino) 1971. ISBN 3-518-36537-1
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