Auszug aus dem Buch:
Weg zum Selbst: Zen-Wirklichkeit (von Uchiyama Roshi) - Kapitel 1 (nicht neu aufgelegt)
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Der Sinn des Lebens aus der Lebens-Wirklichkeit heraus.
Stellen wir uns nun die Frage: Ist es denn möglich, außerhalb der Wirklichkeit zu leben?
Physisch gesehen, solange wir atmen, sicher nicht. Wir können uns nicht außerhalb des Lebens stellen. Trotzdem ist es aber möglich, die Lebens-Wirklichkeit aus den Augen zu verlieren, wenn Schmerz und Leid in unser Leben einfallen.
Hier ein Beispiel dafür.
Vor kurzer Zeit kam eine vierzigjährige Frau zu mir, um sich auszusprechen. Während sie mir ihre Geschichte erzählte, zeigte ihr Geist eine tiefe Erschütterung. Seit ihrer frühen Kindheit, so sagte sie, war das Malen ihre liebste Beschäftigung. Man sprach ihr Talent zu, und so entschloß sie sich im Alter von zwanzig Jahren, mit Hilfe ihrer Eltern nach Tokyo zu gehen, um sich zur Künstlerin auszubilden. Sie hatte Erfolg: Alle Bilder, die sie malte, kamen in Ausstellungen, und sie gewann Preise. Die Kritik hielt sie für eine junge, schöne und echte Künstlerin. Leider stieß jedoch ihr glänzender Aufstieg auf ein Hindernis. Während einiger Jahre erregten ihre Bilder Aufsehen, und die Künstlerin war nahe daran, sich durchzusetzen. Da verlor ihr Vater plötzlich sein ganzes Vermögen. Für die junge Frau bedeutete dies einen schmerzlichen Rückschlag; auf sich allein gestellt die
Künstlerlaufbahn fortzusetzen, war etwas gewagt. Die Sorge um die Eltern, die eine schwere Zeit mitmachten, trieb sie schließlich wieder in ihre Heimat. Dort tat sie, was sie nur konnte, für ihre Familie. Die Jahre gingen dahin, und die Eltern wurden alt; die Leidenschaft für die Kunst war jedoch zu stark in unserer Malerin, als daß sie sich damit zufriedengeben konnte, zu Hause zu sitzen und zu verkümmern. Sie faßte vor einigen Jahren den Entschluß, nach Tokyo zurückzukehren, dort für eine Zeit Arbeit anzunehmen und dabei zu versuchen, sich als Künstlerin selbständig zu machen. Die Frau nahm ihre Eltern mit sich in die Hauptstadt. Sie arbeitete während des Tages für das tägliche Brot und malte des Nachts. Während mehrerer Jahre führte sie dieses anstrengende Leben, jedoch gelang es ihr diesmal nicht, das zu erreichen, was sie im Alter von zwanzig Jahren vermocht hatte. Alle ihre Werke, auf die sie ihre Hoffnung setzte, blieben unbeachtet; sie konnte kein Bild mehr verkaufen und war daher gezwungen, zu ihrem Broterwerb zurückzukehren. Ihre Energie und ihr Mut waren schließlich gebrochen. Sie klagte über ihre unglückliche Lage und sagte mir: »Ich bin unglücklich. Ich habe mein Talent nicht verwirklichen können, seit meine Eltern ihr Vermögen verloren haben.« Während ich natürlich Mitgefühl mit dem Schicksal dieser Frau hatte, deren Künstlerlaufbahn an einem widerwärtigen Umstand gescheitert war, antwortete ich ihr: »Sie denken ganz falsch. Es ist ein schwerer Irrtum zu glauben, es sei ganz selbstverständlich für einen Menschen, von seiner Familie Geld zu erhalten. Es ist vielmehr natürlich, daß jemand überhaupt nichts besitzt. Immerhin war es Ihnen dank dem Vermögen Ihrer Eltern möglich, bis zu Ihrem zwanzigsten Lebensjahr die Malerei zu erlernen, die Sie so sehr liebten. Das ist ein seltener Glücksfall, und Sie sollten dafür sehr dankbar sein. Dies liegt nun schon zwanzig Jahre zurück. Trotzdem denken Sie noch immer an den verlorenen Besitz. Darüber zu weinen, bedeutet, sich in Phantasien über die Vergangenheit zu verlieren. Ist dies nicht absolut sinnlos? Sie müssen Ihre Augen vor der augenblicklichen Wirklichkeit öffnen und mit einem völlig nackten Selbst beginnen, das weder Eigentum noch sonst etwas besitzt.
Als Sie zwanzig Jahre alt waren, haben Ihre ausgestellten Bilder immer Preise gewonnen. Sie denken noch immer an diese Tage und wünschen: >Könnte ich das doch wieder erleben !<>
Physisch gesehen, solange wir atmen, sicher nicht. Wir können uns nicht außerhalb des Lebens stellen. Trotzdem ist es aber möglich, die Lebens-Wirklichkeit aus den Augen zu verlieren, wenn Schmerz und Leid in unser Leben einfallen.
Hier ein Beispiel dafür.
Vor kurzer Zeit kam eine vierzigjährige Frau zu mir, um sich auszusprechen. Während sie mir ihre Geschichte erzählte, zeigte ihr Geist eine tiefe Erschütterung. Seit ihrer frühen Kindheit, so sagte sie, war das Malen ihre liebste Beschäftigung. Man sprach ihr Talent zu, und so entschloß sie sich im Alter von zwanzig Jahren, mit Hilfe ihrer Eltern nach Tokyo zu gehen, um sich zur Künstlerin auszubilden. Sie hatte Erfolg: Alle Bilder, die sie malte, kamen in Ausstellungen, und sie gewann Preise. Die Kritik hielt sie für eine junge, schöne und echte Künstlerin. Leider stieß jedoch ihr glänzender Aufstieg auf ein Hindernis. Während einiger Jahre erregten ihre Bilder Aufsehen, und die Künstlerin war nahe daran, sich durchzusetzen. Da verlor ihr Vater plötzlich sein ganzes Vermögen. Für die junge Frau bedeutete dies einen schmerzlichen Rückschlag; auf sich allein gestellt die
Künstlerlaufbahn fortzusetzen, war etwas gewagt. Die Sorge um die Eltern, die eine schwere Zeit mitmachten, trieb sie schließlich wieder in ihre Heimat. Dort tat sie, was sie nur konnte, für ihre Familie. Die Jahre gingen dahin, und die Eltern wurden alt; die Leidenschaft für die Kunst war jedoch zu stark in unserer Malerin, als daß sie sich damit zufriedengeben konnte, zu Hause zu sitzen und zu verkümmern. Sie faßte vor einigen Jahren den Entschluß, nach Tokyo zurückzukehren, dort für eine Zeit Arbeit anzunehmen und dabei zu versuchen, sich als Künstlerin selbständig zu machen. Die Frau nahm ihre Eltern mit sich in die Hauptstadt. Sie arbeitete während des Tages für das tägliche Brot und malte des Nachts. Während mehrerer Jahre führte sie dieses anstrengende Leben, jedoch gelang es ihr diesmal nicht, das zu erreichen, was sie im Alter von zwanzig Jahren vermocht hatte. Alle ihre Werke, auf die sie ihre Hoffnung setzte, blieben unbeachtet; sie konnte kein Bild mehr verkaufen und war daher gezwungen, zu ihrem Broterwerb zurückzukehren. Ihre Energie und ihr Mut waren schließlich gebrochen. Sie klagte über ihre unglückliche Lage und sagte mir: »Ich bin unglücklich. Ich habe mein Talent nicht verwirklichen können, seit meine Eltern ihr Vermögen verloren haben.« Während ich natürlich Mitgefühl mit dem Schicksal dieser Frau hatte, deren Künstlerlaufbahn an einem widerwärtigen Umstand gescheitert war, antwortete ich ihr: »Sie denken ganz falsch. Es ist ein schwerer Irrtum zu glauben, es sei ganz selbstverständlich für einen Menschen, von seiner Familie Geld zu erhalten. Es ist vielmehr natürlich, daß jemand überhaupt nichts besitzt. Immerhin war es Ihnen dank dem Vermögen Ihrer Eltern möglich, bis zu Ihrem zwanzigsten Lebensjahr die Malerei zu erlernen, die Sie so sehr liebten. Das ist ein seltener Glücksfall, und Sie sollten dafür sehr dankbar sein. Dies liegt nun schon zwanzig Jahre zurück. Trotzdem denken Sie noch immer an den verlorenen Besitz. Darüber zu weinen, bedeutet, sich in Phantasien über die Vergangenheit zu verlieren. Ist dies nicht absolut sinnlos? Sie müssen Ihre Augen vor der augenblicklichen Wirklichkeit öffnen und mit einem völlig nackten Selbst beginnen, das weder Eigentum noch sonst etwas besitzt.
Als Sie zwanzig Jahre alt waren, haben Ihre ausgestellten Bilder immer Preise gewonnen. Sie denken noch immer an diese Tage und wünschen: >Könnte ich das doch wieder erleben !<>
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