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Widmung

Dem, was andere schon sagten, kann ich nichts Neues hinzufügen; zudem bin ich kein begabter Poet. Ich gebe nicht vor, anderen von Nutzen zu sein: Um meinen eigenen Geist zu üben, habe ich dieses Werk verfaßt.

Ahimsayama

Was ist Buddhismus - was ist Buddhismus nicht

Als ich gegen Ende der 80er Jahre nach Indien reiste, war ich sehr beeindruckt von dem Umgang der Menschen untereinander. Obwohl dort eine Bevölkerungsdichte herrscht, die man hier in Deutschland nur in Einkaufspassagen zur Weihnachtszeit wirklich wahrnehmen kann, ist der Umgang untereinander von Respekt, Achtung und Höflichkeit geprägt, sieht man einmal vom Straßenverkehr ab. Hier herrscht das Gesetz des Stärkeren.

Vielerorts trifft man auf tief verwurzeltes religiöses Leben. Nicht nur in den verschiedensten Tempeln. Das Religiöse Leben spiegelt sich auch im täglichen Leben wider. Die vor allem im Süden vorhandenen christlichen Kirchen werden mit der gleichen Hochachtung gepflegt und sind in den Kulturschatz des Subkontinentes aufgegangen. Tiefe Verwunderung ergriff mich, als ich vor der Kirche mit dem Grab von Vasko Da Gama stand. Wenn man seine Wahrnehmung verengte, hätte man meinen können in Portugal zu sein.

Hermann Hesse (1914): "Der ganze Osten atmet Religion, wie der Westen Technik atmet." und weiter: "Primitiv und jedem Zufall preisgegeben scheint das Seelenleben des Abendländers, verglichen mit der geschirmten, gepflegten, vertrauensvollen Religiösität des Asiaten, er sei Buddhist, Mohammedaner oder was immer. Dieser Eindruck beherrscht alle anderen, denn hier zeigt der Vergleich eine Stärke des Ostens, eine Not und Schwäche des Abendlandes... Überall erkennen wir die Überlegenheit unserer Zivilisation und Technik, und überall sehen wir die Völker des Ostens noch ein Gut genießen, das uns fehlt und das wir darum höher stellen als alle jene Überlegenheit."

Der Buddha legte großen Wert darauf, daß jeder seiner Anhänger seine Lehre zu prüfen hatte. Sie sollten erkennen, daß der Inhalt der Wahrheit entspricht, nicht aus einer Überzeugung heraus, sondern auf der Grundlage eigener Erfahrungen und Erkenntnisse. Kein Dogma und keine Autorität, keine Idee sollte einfach hingenommen werden. Er lehnte sogar seine eigene Verehrung ab. Nicht blinder Glaube und dennoch nicht der Zweifelsucht verfallen. Mehr Intuition auf dem Weg zur Befreiung aus dem Leiden hin zum Nirvana. Intuitives Vertrauen in die Lehre entwickeln.
Nicht ist Buddhismus, die Gegensätze zur Glorie zu erheben, sich nur auf eine Seite zu stellen, sondern sie als integralen Bestandteil des Lebens zu sehen. Es ist ein Miteinander der Polaritäten. Niemals ist das Gute nur gut und das Schlechte nur schlecht. Die Entscheidung trifft das Individuum - immer wieder neu, situationsbedingt.
Im Buddhismus geht es um ganz pragmatische Erkenntnisse, die den Menschen weiterbringen sollen. Was nicht weiterhilft, ist nicht von Belang! Spekulationen sind sinnlos. Sie stören die geistige Ruhe, die es zu erlangen gilt. Mit solchen Disputen verwickelt man sich im Dualismus, aus dem es dann intellektuell kein Entkommen mehr gibt. Geistige Verwirrung wäre die Folge.
Besonders beliebt und störend ist bei der Beschäftigung mit dem Buddhismus die Frage nach dem Ursprung und dem Ziel unseres gemeinsamen Weges als Menschen. Der Buddha sagte: "Das Ende ist noch so viele Jahre entfernt, wie man bräuchte, um den Himalaya abzutragen, indem man ihn alle hundert Jahre mit einem Samttüchlein berühren würde."

Ein König lies einmal alle Blindgeborenen der Stadt versammeln, um ihnen eine Elefanten vorzuführen. Ein Mann wurde beauftragt, die Blinden zum Elefanten zu führen, damit sie ihn betasten und ihn später beschreiben konnten. So zeigte der Mann einigen Blindgeborenen den Kopf, anderen das Ohr, anderen wiederum die Beine, einigen den Körper, einigen das Hinterteil, einigen den Schwanz. Darauf forderte der König die Blindgeborenen auf, den Elefanten zu beschreiben. So beschrieben jene die den Kopf befühlt hatten, der Elefant sei wie ein Kessel. Diejenigen die den Zahn befühlt hatten, er sei wie eine Pflugschar, usw. Leider hielt jeder Blinde seine Beschreibung für die einzig richtige und verfocht sie deshalb auch immer heftiger, so dass die Beschreibung des Elefanten schließlich zu einem Handgemenge der Blinden ausartete!

Aus unserer westlichen Forschung wissen wir, daß es nicht nur eine Wahrheit gibt. Die vermeintlich erkannte Wahrheit liegt im Auge des Betrachters.

„Es gibt keine wahre Aussage, denn die Position des Menschen ist die Unsicherheit des Schwebens. Wahrheit wird nicht gefunden, sondern produziert. Sie ist relativ.[53]“ Friedrich Schlegel

Buddha Shakyamuni hat im Kalama-Sutta -Kâlâma Sutta (Anguttara Nikâya III. 66)- folgendes zur Ermittlung von Wahrheit gesagt:

„Glauben Sie an nichts, nur weil Sie es gehört haben. Glauben Sie nicht einfach an Traditionen, weil sie von Generationen akzeptiert wurden. Glauben Sie an nichts, nur auf Grund der Verbreitung durch Gerüchte. Glauben Sie nie etwas, nur weil es in Heiligen Schriften steht. Glauben Sie an nichts, nur wegen der Autorität der Lehrer oder älterer Menschen. Aber wenn Sie selber erkennen, dass etwas heilsam ist und dass es dem Einzelnen und Allen zu Gute kommt und förderlich ist, dann mögen Sie es annehmen und stets danach leben.“

Kālāma Sutta Anguttara-Nikāya III, 65 (Vol. 1, S. 167-171 Aurum Ed.)

[62], [63]

Daraus folgt für den Buddhismus:

  1. In einem gewissen Mass sind wir alle blind/ teilgebildet. Wir erfassen nicht die ganze Wahrheit
  2. Einen Aspekt oder eine Teilwahrheit zu erhaschen ist für jeden Menschen möglich.
  3. Das Problem besteht darin, dass jeder dazu neigt, seine Teilwahrheit/seinen Teilaspekt für die einzige richtige, ja sogar für die gesamte Wahrheit zu halten.
  4. Da einem nur ein Teilaspekt zugänglich ist, besteht die Gefahr der Fehlinterpretation.
  5. Das Verhaftet-sein an früher betasteten Objekten kann zu Fehlern führen. In der Vergangenheit Erfahrenes und Gelebtes kann nicht Antworten auf die Fragen der Gegenwart geben.
  6. Die Wahrheit ist sowohl-als-auch. Die einzelnen Teilaspekte schließen sich nicht aus, sondern ergänzen zu einem größeren Ganzen.
  7. Je mehr von der Wahrheit erfasst wird, desto schwieriger wird es, sie in alten, bekannten Worten zu vermitteln und desto leichter wird das Zulassen anderer Teilwahrheiten, die man zuvor für unmöglich gehalten hat.
Der Buddha hat die Ursache des Leidens und die Verbreitung des Leidens im Geist erkannt. Besonders aber das falsche Denken ist es, was Samsara bewirkt:

A.I.13. Die Quelle alles Guten und Bösen (VI, 6-7)

Was es auch immer, ihr Mönche, an unheilsamen Dingen gibt, an Dingen, die dem Unheilsamen verbunden sind, dem Unheilsamen zugehören, sie alle haben den Geist zum Vorläufer; (*1) denn das Geistige (mano) steigt zuerst auf, und dann folgen die unheilsamen Dinge.

Was es auch immer, ihr Mönche, an heilsamen Dingen gibt, an Dingen, die dem Heilsamen verbunden sind, dem Heilsamen zugehören, sie alle haben den Geist zum Vorläufer; denn das Geistige steigt zuerst auf, und dann folgen die heilsamen Dinge.

Im Geist lieg also die Lösung zur Überwindung des Leidens. Alle Bewertungen, Anhaftungen und Abneigungen sind hier begründet. Sie sind konditioniert, abgespeichert, übertragen, anerzogen. Eine Erstarrung ist die Folge. Daraus resultiert u.a. das Leiden.

Buddhismus kann also niemals ein Dogma sein, außer in der Prüfung der eigenen Erfahrungen bezüglich der Lehre des Buddha. Er gründet sich auf übergreifende Prinzipien, die in allen Menschen wirksam sind. Die Lösung liegt immer im Individuum selbst und kann nicht von außen aufgezwungen werden.
Buddhismus ist also eine völlig andere Herangehensweise an das Leben selbst. Nicht intellektuell, nicht dem Dualismus verfallen und vor allem individuell. Er ist die Erkenntnis der eigenen Fehlerhaftigkeit und die Wahrnehmung der Veränderung des eigenen Geistes auf der Grundlage von Achtsamkeit und Meditation.

Von Wychmannus comes

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ein sehr inspirierender Text.
Liebe Grüsse
Elfe