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Widmung

Dem, was andere schon sagten, kann ich nichts Neues hinzufügen; zudem bin ich kein begabter Poet. Ich gebe nicht vor, anderen von Nutzen zu sein: Um meinen eigenen Geist zu üben, habe ich dieses Werk verfaßt.

Ahimsayama

Hermann Hesse: "Und siehe, es war in der Tat eine große Unordnung da...."

War Hermann Hesse ADHS`ler?
Viel habe ich schon gelesen, was seine Erkrankung angeht.

Hesse: "Man erinnere sich: die erste Wandlung war eingetreten in dem Augenblick, wo mir der Entschluss bewusst wurde, ein Dichter zu werden. Der vorherige Musterschüler Hesse wurde von da ein schlechter Schüler, er wurde bestraft, er wurde hinausgeworfen, er tat nirgends gut, machte sich und seinen Eltern Sorge - alles nur, weil er zwischen der Welt, wie sie nun einmal ist oder zu sein scheint, und der Stimme seines eigenen Herzens keine Möglichkeit einer Versöhnung sah." "Dies wiederholte sich jetzt, in den Kriegsjahren, aufs neue. Wieder sah ich mich im Konflikt mit einer Welt, mit der ich bisher in gutem Frieden gelebt hatte. Wieder mißglückte mir alles, was ich sagte und dachte, von den andern feindlich mißverstanden. Wieder sah ich zwischen der Wirklichkeit und dem was mir wünschenswert, vernünftig und gut schien, einen hoffnungslosen Abgrund liegen. Diesmal aber blieb mir die Einkehr nicht erspart. Es dauerte nicht lange, so sah ich mich genötigt, die Schuld an meinem Leiden nicht außer mir, sondern in mir selbst zu suchen. ...Es mußte also in mir selbst allerlei Unordnung sein, wenn ich so mit dem ganzen Weltlauf in Konflikt kam. Und siehe, es war in der Tat eine große Unordnung da...."

"Als die neue Wandlung sich in meinen Schriften und in meinem Leben zu äußern anfing, schüttelten viele meiner Freunde den Kopf. Viele verließen mich auch. Das gehörte zu dem veränderten Bild meines Lebens, ebenso wie der Verlust meines Hauses, meiner Familie und anderer Güter und Behaglichkeiten. Es war eine Zeit da ich täglich Abschied nahm, und täglich darüber erstaunt war, daß ich nun auch dies hatte ertragen können, und noch immer lebte, und noch immer irgend etwas an diesem seltsamen Leben liebte, das mir doch nur Schmerzen, Enttäuschungen und Verluste zu bringen schien...." (Hesse, Kurzgefaßter Lebenslauf)

Anm.:
Hyperaktivität ist keine Eigenschaft, die sich mit zunehmendem Alter verliert. Manche lernen mit ihrer Instabilität umzugehen, leben aber immer in der Gefährdung, in Belastungssituationen mit ihrer Umwelt zu kollidieren. Schaffen sie die soziale Integration, sind sie häufig beliebte Mitarbeiter, die sich durch ihre Power, ihre Originalität und Gedankenfülle auszeichnen. Langeweile ist das letzte, was sie ihrer Umgebung vermitteln.

"Vielleicht war ich auch, meinem lebenslangen Glauben entgegen, gar kein Dichter, und der ganze ästhetische Betrieb war bloß ein Irrtum gewesen?
.... Das meiste von dem, was ich auf ich auf der Höllenreise durch mich selbst zu Gesicht bekommen hatte, war Schwindel und wertlos gewesen.....
Nachher, wenn solche Zeiten hoher und lebensgefährlicher Spannung vorüber sind, sieht das alles seltsam anders aus, weil die damaligen Inhalte und ihre Namen jetzt ohne Bedeutung sind, und das Heilige von vorgestern kann beinahe komisch klingen.....
1919 zog ich mich in eine einsame Ecke der Schweiz zurück und wurde Einsiedler.....
Man nannte mich häufig einen "Buddhisten""....
Häufig suchte ich meine Freude, meinen Traum, mein Vergessen in einer Flasche Wein, und sehr oft hat sie mir geholfen, sie sei dafür gepriesen. Aber sie genügte nicht. Und siehe da, eines Tages entdeckte ich eine ganz neue Freude. Ich fing .... plötzlich an zu malen. Auch über diese Malerei ärgerten sich viele meiner Freunde. Darin habe ich wenig Glück - immer, wenn ich etwas recht Notwendiges, Glückliches und Hübsches unternehme, werden die Leute unangenehm. Sie möchten gerne, daß man bleibt, was man war, daß man sein Gesicht nicht ändert. Aber mein Gesicht weigert sich, es will sich häufig ändern, es ist ihm ein Bedürfnis. ....
In den Jahren bis 1930 schrieb ich noch einige Bücher, um dem Gewerbe für immer den Rücken zu kehren. ....
Ich war hauptsächlich mit Malen und mit chinesischen Zaubermethoden beschäftigt, ließ mich in den folgenden Jahren aber mehr und mehr auch auf die Musik ein. Es wurde der Ehrgeiz meines späteren Lebens, eine Art von Oper zu schreiben, worin das menschliche Leben in seiner sogenannten Wirklichkeit wenig ernst genommen, sogar verhöhnt wird, ....
Allein leider gelang mir die Vollendung dieser Oper nie. ....
Ich legte daher diese Arbeit beiseite und wandte mich nun vollends der praktischen Magie zu. ....
Im Alter von mehr als siebzig Jahren wurde ich, nachdem eben erst zwei Universitäten mich durch die Verleihung der Würde eines Ehrendoktors ausgezeichnet hatten, wegen Verführung eines jungen Mädchens durch Zauberei vor die Gerichte gebracht. ..." (Hesse, Kurzgefaßter Lebenslauf)
"Seit einigen Tagen lebe ich von Rotwein und Opium". (1912 Tagebuchnotiz aus Indien)

Anm.:
Es besteht eine mehrfach höhere Gefährdung durch Sucht. Der Grund liegt vermutlich auch in der Tatsache, daß insbesondere stimulierende Drogen wie Kokain oder Ecstasy, bei typisch hyperaktiven Patienten zu einer deutlichen inneren Entspannung und Beruhigung führen können.

"Wenn ich eine Weile ... die laue, fade Erträglichkeit sogenannter guter Tage geatmet habe, dann wird mir so windig weh und elend, daß ich die verrostete Dankbarkeitsleier dem schläfrigen Zufriedenheitsgott ins zufriedene Gesicht schmeiße und lieber einen recht teuflischen Schmerz in mir brennen fühle, als diese bekömmliche Zimmertemperatur. Es brennt alsdann in mir eine wilde Begierde nach starken Gefühlen und Sensationen, eine Wut auf dies abgetönte, flache, normierte Leben und eine rasante Lust, irgend etwas kaputtzuschlagen, etwa ein Warenhaus oder eine Kathedrale oder mich selbst, verwegene Dummheiten zu begehen, ein paar verehrten Götzen die Perücken abzureißen ... oder einigen Vertretern der bürgerlichen Weltordnung das Gesicht ins Genick zu drehen. Denn dies haßte, verabscheute und verfluchte ich vor allem doch am innigsten: diese Zufriedenheit, diese Gesundheit, Behaglichkeit, diesen gepflegten Optimismus des Bürgers, diese fette gedeihliche Zucht des Mittelmäßigen, Normalen und Durchschnittlichen." (Steppenwolf - Harry Haller)


Gestutzte Eiche

Wie haben sie dich, Baum, verschnitten
Wie stehst du fremd und sonderbar!
Wie hast du hundertmal gelitten,
Bis nichts in dir als Trotz und Wille war!
Ich bin wie du, mit dem verschnittnen
Gequälten Leben brach ich nicht
Und tauche täglich aus durchlittnen
Rohheiten neu die Stirn ins Licht.
Was in mir weich und zart gewesen,
Hat mir die Welt zu Tod gehöhnt,
Doch unzerstörbar ist mein Wesen,
Ich bin zufrieden, bin versöhnt,
Geduldig neue Blätter treib ich
Aus Ästen hundertmal zerspellt;
Und allem Weh zum Trotze bleib ich
Verliebt in die verrückte Welt.

(Hermann Hesse)


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