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Widmung

Dem, was andere schon sagten, kann ich nichts Neues hinzufügen; zudem bin ich kein begabter Poet. Ich gebe nicht vor, anderen von Nutzen zu sein: Um meinen eigenen Geist zu üben, habe ich dieses Werk verfaßt.

Ahimsayama

Die Stillung störender Gedanken

Majjhima Nikàya 20


Die Stillung störender Gedanken (Vitakkasanthàna Sutta)

1. So habe ich gehört. Einmal hielt sich der Erhabene bei Sàvatthã im Jeta Hain, dem Park des Anàthapindika auf. Dort richtete er sich folgendermaßen an die Bhikkhus: „Ihr Bhikkhus.“ – „Ehrwürdiger Herr“, erwiderten sie. Der Erhabene sagte dieses:

2. „Ihr Bhikkhus, wenn ein Bhikkhu nach höherer Geistigkeit 1) strebt, sollte er von Zeit zu Zeit die Aufmerksamkeit auf fünf Zeichen richten. Was sind die fünf?“

3.(I) „Ihr Bhikkhus, wenn da ein Bhikkhu die Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Zeichen 2) richtet, und infolge jenes Zeichens entstehen in ihm üble unheilsame Gedanken, die mit Begierde, mit Haß und mit Verblendung verbunden sind, dann sollte er die Aufmerksamkeit auf ein anderes Zeichen richten, das mit dem Heilsamen verbunden ist. Wenn er die Aufmerksamkeit auf ein anderes Zeichen, das mit dem Heilsamen verbunden ist, richtet, dann werden jegliche üble, unheilsame Gedanken, die mit Begierde, mit Haß und mit Verblendung verbunden sind, in ihm überwunden und verschwinden. Mit dem Überwinden dieser Gedanken wird sein Geist innerlich gefestigt, beruhigt, zur Einheit gebracht und konzentriert. So wie ein geschickter Zimmermann oder sein Gehilfe einen groben Pflock mit Hilfe eines feinen austreiben, entfernen und herausziehen könnte, genauso sollte ein Bhikkhu – wenn er die Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Zeichen richtet, und infolge jenes Zeichens in ihm üble unheilsame Gedanken entstehen, die mit Begierde, mit Haß und mit Verblendung verbunden sind – die Aufmerksamkeit auf ein anderes Zeichen richten, das mit dem Heilsamen verbunden ist. Wenn er die Aufmerksamkeit auf ein anderes Zeichen, das mit dem Heilsamen verbunden ist, richtet, dann werden jegliche üble, unheilsame Gedanken, die mit Begierde, mit Haß und mit Verblendung verbunden sind, in ihm überwunden und verschwinden. Mit dem Überwinden dieser Gedanken wird sein Geist innerlich gefestigt, beruhigt, zur Einheit gebracht und konzentriert 3).“

4.(II) „Falls dann immer noch üble unheilsame Gedanken, die mit Begierde, mit Haß und mit Verblendung verbunden sind, in ihm entstehen – während er die Aufmerksamkeit auf ein anderes Zeichen, das mit dem Heilsamen verbunden ist, richtet – dann sollte er die Gefahr in jenen Gedanken so untersuchen: ,Diese Gedanken sind unheilsam, sie sind tadelnswert, sie haben Dukkha als Ergebnis.‘ Wenn er die Gefahr in jenen Gedanken untersucht, dann werden jegliche üble, unheilsame Gedanken, die mit Begierde, mit Haß und mit Verblendung verbunden sind, in ihm überwunden und verschwinden. Mit dem Überwinden dieser Gedanken wird sein Geist innerlich gefestigt, beruhigt, zur Einheit gebracht und konzentriert. So wie eine Frau oder ein Mann – jung, jugendlich, in Schmuck vernarrt – entsetzt, gedemütigt und angewidert wäre, wenn man ihr oder ihm den Kadaver einer Schlange oder eines Hunds oder eines Menschen um den Hals hinge, genauso sollte ein Bhikkhu – falls immer noch üble unheilsame Gedanken, die mit Begierde, mit Haß und mit Verblendung verbunden sind, in ihm entstehen, während er die Aufmerksamkeit auf ein anderes Zeichen, das mit dem Heilsamen verbunden ist, richtet – die Gefahr in jenen Gedanken so untersuchen: ,Diese Gedanken sind unheilsam, sie sind tadelnswert, sie haben Dukkha als Ergebnis.‘ Wenn er die Gefahr in jenen Gedanken untersucht, dann werden jegliche üble, unheilsame Gedanken, die mit Begierde, mit Haß und mit Verblendung verbunden sind, in ihm überwunden und verschwinden. Mit dem Überwinden dieser Gedanken wird sein Geist innerlich gefestigt, beruhigt, zur Einheit gebracht und konzentriert 4).“

5.(III) „Falls dann immer noch üble unheilsame Gedanken, die mit Begierde, mit Haß und mit Verblendung verbunden sind, in ihm entstehen – während er die Gefahr in jenen Gedanken untersucht – dann sollte er versuchen, jene Gedanken zu vergessen, und sollte sie nicht beachten. Wenn er versucht, jene Gedanken zu vergessen, und sie nicht beachtet, dann werden jegliche üble, unheilsame Gedanken, die mit Begierde, mit Haß und mit Verblendung verbunden sind, in ihm überwunden und verschwinden. Mit dem Überwinden dieser Gedanken wird sein Geist innerlich gefestigt, beruhigt, zur Einheit gebracht und konzentriert. So wie ein Mann mit guten Augen, der Formen, die in sein Blickfeld gekommen waren, nicht sehen wollte, entweder die Augen schließen oder wegblicken würde, genauso sollte ein Bhikkhu versuchen – falls immer noch üble unheilsame Gedanken, die mit Begierde, mit Haß und mit Verblendung verbunden sind, in ihm entstehen, während er die Gefahr in jenen Gedanken untersucht – jene Gedanken zu vergessen, und sollte sie nicht beachten. Wenn er versucht, jene Gedanken zu vergessen, und sie nicht beachtet, dann werden jegliche üble, unheilsame Gedanken, die mit Begierde, mit Haß und mit Verblendung verbunden sind, in ihm überwunden und verschwinden. Mit dem Überwinden dieser Gedanken wird sein Geist innerlich gefestigt, beruhigt, zur Einheit gebracht und konzentriert 5).“

6.(IV) „Falls dann immer noch üble unheilsame Gedanken, die mit Begierde, mit Haß und mit Verblendung verbunden sind, in ihm entstehen – während er versucht, jene Gedanken zu vergessen, und sie nicht beachtet – dann sollte er die Aufmerksamkeit auf die Stillung der Gestaltung jener Gedanken richten. Wenn er die Aufmerksamkeit auf die Stillung der Gestaltung jener Gedanken richtet, dann werden jegliche üble, unheilsame Gedanken, die mit Begierde, mit Haß und mit Verblendung verbunden sind, in ihm überwunden und verschwinden. Mit dem Überwinden dieser Gedanken wird sein Geist innerlich gefestigt, beruhigt, zur Einheit gebracht und konzentriert. So wie ein Mann, der schnell geht erwägen könnte: ,Warum gehe ich schnell? Wie wäre es, wenn ich langsam ginge?‘ und er würde langsam gehen; dann könnte er erwägen: ,Warum gehe ich langsam? Wie wäre es, wenn ich stehen bliebe?‘ und er würde stehen bleiben; dann könnte er erwägen: ,Warum stehe ich? Wie wäre es, wenn ich mit hinsetzte?‘ und er würde sich hinsetzen; dann könnte er erwägen: ,Warum sitze ich? Wie wäre es, wenn ich mich hinlegte?‘ und er würde sich hinlegen. Mit dieser Vorgehensweise würde er jede gröbere Körperstellung durch eine feinere ersetzen. Genauso sollte ein Bhikkhu – falls immer noch üble unheilsame Gedanken, die mit Begierde, mit Haß und mit Verblendung verbunden sind, in ihm entstehen, während er versucht, jene Gedanken zu vergessen, und sie nicht beachtet – die Aufmerksamkeit auf die Stillung der Gestaltung jener Gedanken richten. Wenn er die Aufmerksamkeit auf die Stillung der Gestaltung jener Gedanken richtet, dann werden jegliche üble, unheilsame Gedanken, die mit Begierde, mit Haß und mit Verblendung verbunden sind, in ihm überwunden und verschwinden. Mit dem Überwinden dieser Gedanken wird sein Geist innerlich gefestigt, beruhigt, zur Einheit gebracht und konzentriert 6).“

7.(V) „Falls dann immer noch üble unheilsame Gedanken, die mit Begierde, mit Haß und mit Verblendung verbunden sind, in ihm entstehen – während er die Aufmerksamkeit auf die Stillung der Gestaltung jener Gedanken richtet – dann sollte er mit zusammengebissenen Zähnen und an den Gaumen gepreßter Zunge den Geist mit dem Herzen niederwerfen, ihn zu Boden zwingen und überwältigen. Wenn er mit zusammengebissenen Zähnen und an den Gaumen gepreßter Zunge den Geist mit dem Herzen niederwirft, ihn zu Boden zwingt und überwältigt, dann werden jegliche üble, unheilsame Gedanken, die mit Begierde, mit Haß und mit Verblendung verbunden sind, in ihm überwunden und verschwinden. Mit dem Überwinden dieser Gedanken wird sein Geist innerlich gefestigt, beruhigt, zur Einheit gebracht und konzentriert. So wie ein starker Mann einen schwächeren Mann am Kopf oder den Schultern packen, ihn niederwerfen, ihn zu Boden zwingen und überwältigen könnte, genauso sollte ein Bhikkhu – falls immer noch üble unheilsame Gedanken, die mit Begierde, mit Haß und mit Verblendung verbunden sind, in ihm entstehen, während er die Aufmerksamkeit auf die Stillung der Gestaltung jener Gedanken richtet – mit zusammengebissenen Zähnen und an den Gaumen gepreßter Zunge den Geist mit dem Herzen niederwerfen, ihn zu Boden zwingen und überwältigen. Wenn er mit zusammengebissenen Zähnen und an den Gaumen gepreßter Zunge den Geist mit dem Herzen niederwirft, ihn zu Boden zwingt und überwältigt, dann werden jegliche üble, unheilsame Gedanken, die mit Begierde, mit Haß und mit Verblendung verbunden sind, in ihm überwunden und verschwinden. Mit dem Überwinden dieser Gedanken wird sein Geist innerlich gefestigt, beruhigt, zur Einheit gebracht und konzentriert 7).“

8. „Ihr Bhikkhus, wenn ein Bhikkhu die Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Zeichen richtet, und infolge jenes Zeichens entstehen in ihm üble unheilsame Gedanken, die mit Begierde, mit Haß und mit Verblendung verbunden sind, wenn er dann die Aufmerksamkeit auf ein anderes Zeichen, das mit dem Heilsamen verbunden ist, richtet, dann werden jegliche üble, unheilsame Gedanken, die mit Begierde, mit Haß und mit Verblendung verbunden sind, in ihm überwunden und verschwinden. Mit dem Überwinden dieser Gedanken wird sein Geist innerlich gefestigt, beruhigt, zur Einheit gebracht und konzentriert. Wenn er die Gefahr in jenen Gedanken untersucht, dann werden jegliche üble, unheilsame Gedanken, die mit Begierde, mit Haß und mit Verblendung verbunden sind, in ihm überwunden und verschwinden. Mit dem Überwinden dieser Gedanken wird sein Geist innerlich gefestigt, beruhigt, zur Einheit gebracht und konzentriert. Wenn er versucht, jene Gedanken zu vergessen, und sie nicht beachtet, dann werden jegliche üble, unheilsame Gedanken, die mit Begierde, mit Haß und mit Verblendung verbunden sind, in ihm überwunden und verschwinden. Mit dem Überwinden dieser Gedanken wird sein Geist innerlich gefestigt, beruhigt, zur Einheit gebracht und konzentriert. Wenn er die Aufmerksamkeit auf die Stillung der Gestaltung jener Gedanken richtet, dann werden jegliche üble, unheilsame Gedanken, die mit Begierde, mit Haß und mit Verblendung verbunden sind, in ihm überwunden und verschwinden. Mit dem Überwinden dieser Gedanken wird sein Geist innerlich gefestigt, beruhigt, zur Einheit gebracht und konzentriert. Wenn er mit zusammengebissenen Zähnen und an den Gaumen gepreßter Zunge den Geist mit dem Herzen niederwirft, ihn zu Boden zwingt und überwältigt, dann werden jegliche üble, unheilsame Gedanken, die mit Begierde, mit Haß und mit Verblendung verbunden sind, in ihm überwunden und verschwinden. Mit dem Überwinden dieser Gedanken wird sein Geist innerlich gefestigt, beruhigt, zur Einheit gebracht und konzentriert. Dieser Bhikkhu wird dann ein Meister der Gedankengänge genannt. Welchen Gedanken er auch immer denken will, den wird er denken, und welchen Gedanken er auch immer nicht denken will, den wird er nicht denken. Er hat Begehren abgeschnitten, die Fesseln abgeworfen, und mit der vollständigen Durchdringung des (Ich-)Dünkels hat er Dukkha ein Ende bereitet 8).“
Das ist es, was der Erhabene sagte. Die Bhikkhus waren zufrieden und entzückt über die Worte des Erhabenen.

Anmerkungen:

1) Die höhere Geistigkeit (adhicitta) ist der Zustand in den Vertiefungen – höher als die Geisteszustände der Sinnessphäre, in denen sich ethisches Verhalten abspielt.
2) Zeichen (nimitta) bedeutet oft Meditationsobjekt, hier jedoch bezeichnet es störende Gedanken; daß der Buddha dennoch das gleiche Wort verwendet, deutet darauf hin, daß in der Einsichtspraxis eben genau diese Störungen als Gegenstand der Meditation verwendet werden können, im Sinne der vierten Grundlage der Achtsamkeit (vgl. M10).
3) Unheilsame Gedanken können durch den hier empfohlenen Wechsel zu einem geeigneten Meditationsobjekt zur Ruhe gebracht werden. Hier ein paar Beispiele, was das „andere Zeichen“ alles sein kann: im Falle von haßerfüllten Gedanken – die Entfaltung von Liebender Güte; im Falle von Gier in Bezug auf andere Lebewesen – Meditation über die 32 Körperteile; Gedanken an Zukünftiges – Todesbetrachtung; Neid – Entfaltung von Mitfreude; Minderwertigkeitsgefühle – Reflektion über die Geburt als Mensch etc; Niedergeschlagenheit – Reflektion über Buddha, Dhamma, Sangha, usw.
4) Das Leidhafte in den störenden Gedanken zu betrachten führt zum Loslassen; vorausgesetzt, eine mitfühlende Motivation, der Wunsch, Leid zu überwinden, ist hinreichend vorhanden.
5) Die Methode, störende Gedanken nicht weiter zu beachten und zum primären Meditationsobjekt zurückzukehren, ist eine sehr weit verbreitete Vorgehensweise, bei vielen Meditierenden die einzige. Dabei wird die Chance der Weisheitsentfaltung, die die ersten zwei geschilderten Techniken bieten, außer Acht gelassen.
6) Eine Möglichkeit, die Gestaltung der störenden Gedanken zu stillen, ist das Zurückverfolgen, welcher Sinneseindruck körperlicher oder gedanklicher Art diese hartnäckige Flut von Gedanken hervorgerufen hat.
7) Bei dieser letzten Notmaßnahme kommen „Brechstangenmethoden“, gekoppelt mit erhöhtem Energieaufwand, zum Einsatz. Die Brechstange kann zum Beispiel konsequentes geistiges Etikettieren mit aufgedrehtem innerem Lautstärkeregler sein, oder die Anwendung von mantraähnlichen parikamma- oder Meditationsworten.
8) Ein Aspekt von Befreiung: wahrhaftige Gedankenfreiheit.

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